"Kritisches Denken statt Wischkompetenz"

  • Digitalisierung an Katholischen Schulen | 01.10.2020

Ob er mal kurz Zeit hat? Na klar. Alexander Tscheulin unterbricht das soeben begonnene Fußballspiel mit den eigenen Kindern, um per Smartphone und Facetime Antworten zu geben. Seit Februar begleitet der Diplom-Pädagoge als Referent für Bildung in der digitalisierten Welt die katholischen Schulen in Hamburg auf dem Weg zu einer zeitgemäßen Bildung. Doch für den 43-Jährigen stehen nicht die Anschaffung von Tablets und interaktiven Tafeln im Vordergrund, sondern vor allem die konzeptionelle Grundlagenarbeit mit den Schulen und die gemeinsame Entwicklung sinnvoller pädagogischer Angebote.

 

Frage: Sie waren als Lehrer auch für den Ausbau der digitalen Angebote am Standort zuständig. Wie sieht ein sinnvoller Einsatz digitaler Medien im Unterricht aus?

Alexander Tscheulin: Der Einsatz von Medien sollte auf Dauer keine Effekthascherei sein, sondern einfach zu guten Lernsituationen beitragen, bei denen die Schulkinder im Mittelpunkt stehen. Informationen multimedial bereitstellen, zusammenarbeiten und eigene Medienprodukte kreativ erstellen, das sollte für Kolleginnen und Kollegen und Lernende zur Normalität werden. Ich habe erlebt, dass kontinuierliche kleine Anstöße vor Ort weit mehr bringen als Schulungen, nach denen der Transfer in den Alltag immer schwerfällt. Wenn man aber gemeinsam dranbleibt, lässt sich vieles erreichen.

Frage: Sie haben Einplatinencomputer genutzt, um Schulkindern den Einstieg in das Programmieren zu ermöglichen. Braucht es Coding-Angebote an Grundschulen?

Tscheulin: Ja, auf jeden Fall. Der Begriff Coding erweckt immer Assoziationen von hochkomplexen Tätigkeiten, aber erst mal geht es um logisches Denken und präzises Arbeiten. Diese Kompetenzen helfen auch bei anderen Themen. Programmieren schafft Erfolgserlebnisse und das Gefühl, selbst etwas bewirken zu können. Ideal ist es natürlich, wenn man auch Verbindungen zu Kunst, Geschichte, Deutsch und anderen Themen schafft.

Frage: Welchen Einfluss hat die Digitalisierung aus Ihrer Sicht auf den Lernerfolg?

Tscheulin: Die Digitalisierung bedeutet für mich zunächst einmal, offen und transparent zusammen zu arbeiten und Erkenntnisse miteinander zu entwickeln und zu teilen. Deshalb ziele ich nicht auf das Zehnfingerschreiben, auf Anwendungsschulungen und „Wischkompetenz“, sondern auf Projektarbeit und kritisches Denken ab. Der Medieneinsatz kommt dann von alleine.

 

Alexander Tscheulin - © kseh

 

Frage: In vielen Ländern dürfen Schülerinnen und Schüler ihr eigenes Gerät im Unterricht nutzen. Müssen wir hier umdenken?

Tscheulin: Absolut. Schülerinnen und Schüler über die Schulen mit Endgeräten auszustatten, das kann nur eine Übergangslösung oder Ausnahme sein, um einzelne Projekte anzustoßen. Ich denke, wir brauchen an weiterführenden Schulen eine persönliche und wahrscheinlich auch individuelle Ausstattung, mit der über offene Formate ein Austausch möglich ist. In den Schulen muss dafür eine gute und sichere Infrastruktur vorhanden sein, um vielen Personen die Vernetzung zu ermöglichen. Bei der Wahl der Werkzeuge sollten offene, schlanke, bewährte und ressourcenschonende Technologien den Vorzug bekommen, die modernen Arbeitstechniken entsprechen, aber dennoch nicht von der neuesten und teuersten Hardware abhängen. So ist es allen Schulkindern und Elternhäusern möglich, angemessen teilzuhaben.

Frage: Flipped Classroom, Greenscreen, Activ-Inspire – Was tun, wenn Lehrkräfte ratlos sind, wie sie die digitale Technik überhaupt sinnvoll einsetzen können?

Tscheulin: Ich halte den Austausch untereinander für enorm wichtig. Was klappt bei dir? Was sind deine Stärken? Es müssen auch nicht alle alles können. Vor allem geht es um eine Haltung zur Digitalisierung und dem damit verbundenen Wandel. Bin ich offen für Neues? Kann ich das Heft auch mal aus der Hand geben? Bin ich bereit mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam etwas dazuzulernen? Und vor allem, wie ermöglichen wir an unsere Schulen Kindern und Jugendlichen sich zu entwickeln? Mit unserer überschaubaren Größe als katholisches Schulsystem und den Freiheiten als privatem Schulträger haben wir wirklich alle Möglichkeiten, uns für die Zukunft bestens aufzustellen.

(kseh)

 

 

 

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