Mehr als eine warme Mahlzeit

  • Bildung um des Menschen willen | 27.02.2018

Bahnhofsmission, Flüchtlingsinitiative oder Seniorenheim: Karitative Einrichtungen wie diese, gibt es in fast jeder Stadt. Ohne ehrenamtliche Helfer wären viele davon gar nicht möglich. In zahlreichen Katholischen Schulen haben Jugendliche die Möglichkeit, sich im Rahmen des Wahlpflichtfachs „Compassion“ sozial zu engagieren. Paul Schmidt aus der 10R1 der Bonifatiusschule in Göttingen hat ein Jahr lang Bedürftige mit Mittagessen versorgt. Seine Erfahrungen hat der Schüler für uns aufgeschrieben.

 

Vorfreude und Erwartungen

Nachdem ich erfahren hatte, dass ich dem Wahlpflicht-Kurs (WPK) „Compassion“ zugeteilt wurde, habe ich direkt darüber nachgedacht, wohin ich gerne gehen würde. Da ich es wundervoll finde, wenn Menschen anderen Menschen helfen, wurde es der Mittagstisch St. Michael. Ein Jahr lang würde ich jeden Mittwoch dort helfen, bedürftigen Menschen ein warmes Essen zu ermöglichen.

Bevor es losging, hatte ich mir einige Gedanken gemacht, was ich von meiner Arbeit dort erwarte. Viel Neues wollte ich lernen. Abwechslung in meinen Aufgaben wären auch schön. Und ich wollte mit den Obdachlosen in Kontakt kommen. Es reizte mich am meisten zu sehen, welche Menschen dort essen. Wahrscheinlich nicht nur Obdachlose, sondern auch einfach Personen, die im Moment viel durchmachen und gerade eine schlechte Zeit durchstehen müssen. Ich persönlich helfe gerne Menschen und bin sehr angetan von diesem Kurs. Ich denke, dass ich dort viele neue Erfahrungen sammeln werde, die mir in meinem Leben und meiner beruflichen Entscheidung weiter helfen werden.

Die Einrichtung: Der Mittagstisch St. Michael

Der Mittagstisch gehört zu der katholischen Gemeinde St. Michael in Göttingen. Von 12:00 Uhr bis 13:30 Uhr werden jeden Tag in den Räumen der Diözese warme und kalte Mahlzeiten ausgeteilt. Im Gegenzug müssen sie eine kleine Geldsumme von 25 Cent bezahlen, was aber eher als Geste dient. Die Einrichtung bietet für knapp 80 Leute einen Platz.

Die Bedürftigen können sich selbst aussuchen, ob sie etwas essen oder sich an kalten Tagen einfach aufwärmen möchten. Der Mittagstisch bietet immer eine warme Mahlzeit wie Suppe oder Auflauf, die entweder selbstgekocht ist oder von anderen Konzernen wie Krankenhäusern, der Tafel, Supermärkten oder Bäckern gespendet wird.

Gegründet wurde der Mittagstisch im September 1990 von dem Pfarrer Heribert Graab. Heute ist nur noch die Leiterin Anna Werner-Parker dort festangestellt. Sie ist immer am Lächeln und hat ein sehr großes Herz. Sie kümmert sich dort um alle und zeigt Neulingen wie mir, was zu tun ist. Es ist wunderbar zu sehen, wie ein Mensch, der eigentlich sehr viel Stress hat, trotzdem immer noch so gelassen und cool wirkt und nie böse oder jähzornig rüberkommt. Dies bewundere ich sehr und probiere, es für mich selbst auch umzusetzen.

 

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Teamwork, Spaß und Engagement

Beim Mittagstisch arbeiten Schüler, Lehrer, Professoren und Journalisten. Dazu kommen auch noch ein paar Rentner und zum Teil auch Menschen mit Behinderungen oder Krankheiten – alle arbeiten ehrenamtlich. Am Anfang wird ausgemacht, wer in welchem Bereich eingesetzt wird. Meistens helfen wir uns aber gegenseitig. Im Prinzip machen wir alles zusammen, stellen die Stühle runter oder verteilen Früchte, Gemüse und Brot.

Ich verstehe mich mit meinen Kollegen sehr gut. Es ist eine wunderbare Arbeitsatmosphäre. Wenn Gäste da sind, sind wir ernst und bemühen uns, uns normal und fokussiert zu artikulieren. Allerdings kommt es oft zu Späßen in den Pausen, in denen wir gerne lachen, aber uns auch ernsten Themen widmen. Wir helfen uns gegenseitig und sind ein gut eingespieltes Team. Es ist immer wieder schön und ein Erlebnis, dort jeden Mittwoch anzutreten.

Ein typischer Tag beim Mittagstisch St. Michael

Ein typischer Tagesablauf beginnt gegen 11:15 Uhr. Dann stellen wir meistens Schmand, Marmelade, Brötchen, Kakao und Tee bereit. Ab 12:00 Uhr wird die Tür aufgeschlossen und die Gäste kommen hinein. Einer teilt die Suppe aus, jemand anderes belegt den Wurst- und Käseteller. Ab 13:00 Uhr werden dann Früchte und manchmal auch Süßigkeiten wie Schokolade angeboten. Ab 13:30 Uhr müssen die Gäste die Räume verlassen. Nun werden nur noch die restlichen Teller abgewaschen und wir können letztendlich nach Hause gehen.

 

© Anna / Fotolia.com

Das Besondere? Die Menschen!

Das Verhältnis zu den Gästen ist sehr gut, es gibt selten Probleme oder ähnliches. Mit vielen kann man sich auch einfach gut unterhalten, da sie schon sehr viel im Leben durchgemacht haben und dadurch Lebenserfahrung mit sich bringen. Einige kennen Personen aus der ganzen Welt! Meiner Meinung nach sind die Menschen, die zum Mittagstisch kommen, das Besondere! Sie haben so viel zu erzählen und wenn man ihnen die Gelegenheit dazu gibt, kann es echt aufregend und interessant sein.

Das hier hat mir einer der Gäste berichtet: Er war obdachlos, drogenabhängig und wusste nicht mehr mit seinem Leben weiter. Durch den Mittagstisch hatte er immer eine Gelegenheit, mit anderen in Kontakt zu kommen und zu sehen, dass es anderen noch schlechter geht. Aber das Wichtigste ist, er hat genauso gesehen, dass andere wieder auf den richtigen Weg gefunden haben. Diese Menschen hat er als Vorbild genommen, aber er wusste nie, wie man sich bewirbt oder gar einen Job findet. Die Gespräche mit den Ehrenamtlichen haben ihm Kraft und Motivation gegeben. Er hat die Drogen beiseitegelegt, sich aufgerappelt und einen neuen Job als Kassierer bekommen. Nun hat er sogar eine eigene Wohnung! Ich finde so etwas ist einfach herzergreifend. Zu sehen, wie ein Mensch nur durch Motivation und kleine Hilfen so aufblühen kann. Und so etwas kann auch im Kleinen im Leben vorkommen. Man sollte sich ihn als Vorbild nehmen!

Rückblick: Viele Begegnungen und unvergessliche Momente

Meine Erwartungen wurden in den meisten Fällen erfüllt. Es ist ein wunderbarer Ort, wo Leute, die gerade einiges durchmachen, eine warme Speise und eine Gelegenheit bekommen, sich zu unterhalten. Allerdings haben wir oft das Gleiche gemacht, aber im Endeffekt hat es mich nicht gestört.

Es bleiben so viele Augenblicke im Kopf, positive wie auch ein paar negative. Ich glaube, es ist eine Erfahrung, die ich nie in meinem Leben vergessen werde und, dass dieses Projekt mir auch im Leben weiterhilft. Der Moment, den ich am wenigsten vergessen werde, ist der, als ein sehr arm aussehender Mann uns 5 Euro Trinkgeld für die Einrichtung gegeben hat, obwohl er selbst fast kein Geld hat. Dieser Mann ist ein wahrer Held. Ich finde, wir sollten uns alle mal selbst an die Nase fassen und gucken, wer uns etwas bedeutet, wem können wir etwas geben, etwas zeigen, dass er bemerkt, dass er einem gut tut.

Dieser Kurs ist eine der besten Sachen, die ich in meiner Schulzeit gemacht habe. Man lernt sehr viel über andere Menschen und über sich selbst. Klar am Anfang ist man manchmal auch abgeschreckt von den Drogen. Aber ich finde es gut, wenn Jugendliche erfahren, wie schön es ist, anderen Leuten zu helfen.

 

Von Paul Schmidt / mam

Kontakt:

Bonifatiusschule II - Oberschule

Am Geismartor 4

37083 Göttingen

Tel.: 0551/54813-0

www.bonifatiusschule-goettingen.de