Bundeskongress: Demokratie und Freiheit

  • Fortbildungen | 21.05.2022

Freiheit und Demokratie: Diese beiden Schlagworte standen im Mittelpunkt des 10. Bundeskongresses Katholische Schulen in Erfurt. Insgesamt rund 80 Vertreterinnen und Vertreter Katholischer Schulen, der Schulabteilungen der Bistümer und weitere Bildungsverantwortliche nahmen an der Veranstaltung am 20. Mai im Erfurter Augustinerkloster teil. Erzbischof Becker betonte dabei den Beitrag Katholischer Schulen zur Demokratiebildung sowie ihre Relevanz für die Gesellschaft.

 

Auch an Katholischen Schulen gebe es Probleme mit Antisemitismus und durch Ausgrenzen von Menschen anderer Religionen und Kulturen, erklärte der Vorsitzende der Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz zum Auftakt des Bundeskongresses zum Thema „Freiheit und Demokratie“. Aber durch die Basis ihres christlichen Menschenbildes hätten Katholische Schulen ein besonderes Potenzial dazu beizutragen, dass sich Kinder und Jugendliche als Person entfalten können. „Der Umgang mit Pluralität und Diversität muss gelernt und eingeübt werden", sagte der Erzbischof von Paderborn. Es erfordere eine Demokratieerziehung, die Kinder und Jugendliche zur Übernahme von Freiheit und Demokratie befähige. Für Pädagoginnen und Pädagogen bedeute das, Haltung zu zeigen und demokratische Werte zu vermitteln. Die Kirchen könnten so durch die konfessionellen Schulen „einen substanziellen Dienst an der Gesellschaft und am Menschen leisten.“

Becker: Die Frage nach Gott offenhalten

Katholische Schulen dürften Schülerinnen und Schüler mit ihrem Glauben und ihren Ansichten auf keinen Fall überwältigen oder indoktrinieren, ergänzte Becker. "Aber sie können Kinder und Jugendliche einladen, eine andere, eine transzendente Perspektive wahrzunehmen und den Horizont zu weiten, indem sie die Frage nach Gott offenhalten." Für die Kirche seien die Katholischen Schulen somit unverzichtbar, „da sie durch ein äußerst anerkanntes, qualitätvolles kirchliches Angebot zur Präsenz und Sichtbarkeit der Kirche in der Gesellschaft beitragen und noch sehr geschätzt und nachgefragt werden“, so Schulbischof Becker.

Bischof: Katholische Schulen als Leuchttürme in säkularer Gesellschaft

Vorab hatte der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr während eines Wortgottesdienstes in der Augustinerkirche Katholische Schulen als Leuchttürme in der säkularen Gesellschaft bezeichnet. Diese vermittelten ein Wertefundament, das auf Verlässlichkeit und die Prinzipien christlicher Hoffnung gründeten und somit unverzichtbar seien. Zudem hatte Neymeyr über den Zusammenhang von Gemeinschaft und Freiheit gesprochen. Gemeinschaft setze Freiheit frei, beschränke diese für den einzelnen aber auch. „Das auszutarieren ist eine große pädagogische Aufgabe der Schulen“, sagte der Bischof.

 

© Deutsche Bischofskonferenz/Kopp

 

Grußwort aus der Ukraine

Die aktuelle Bedrohung von Freiheit und Demokratie durch den Krieg in der Ukraine wurde auf dem Schulkongress durch ein Grußwort des online zugeschalteten Pater Petro Maiba, Leiter der Kommission für Bildung und Erziehung der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche in Lviv, deutlich. „Wir wissen, dass der Gedanke der Menschenwürde ein tiefgreifender Gedanke des Evangeliums ist. Was das politische und rechtliche Bewusstsein geprägt hat, ist ein tiefes Erbe in der christlichen Spiritualität. Es ist eine christliche (biblische) Spiritualität, die die Bedeutung der Unersetzlichkeit des individuellen Gewissens, der Verantwortung und, konsequenterweise, der individuellen Freiheit aufzeigt“, sagte der Salesianerpater Don Boscos. Der Krieg in der Ukraine spiegele den globalen Kampf zwischen Autoritarismus und Demokratie wider. Frieden sei möglich mit dem Sieg der Wahrheit und Freiheit. Der einzige Weg zum Frieden bestehe heute darin, die zerstörerische Ideologie der Gewalt, Gesetzlosigkeit und Lüge zu besiegen, betonte Pater Maiba. Er fügte hinzu: „Wenn wir also von Frieden sprechen und ihn nicht als eine passive Position der Nichteinmischung verstehen, sondern als das Resultat ständiger, aktiver und oft harter Arbeit, die auf die Schaffung bestimmter Werte abzielt, ist Frieden das Ergebnis von Arbeit, nicht von Untätigkeit.“. Maiba sprach das Grußwort auf Italienisch. Eine deutsche Übersetzung lag den Teilnehmenden vor.

Akademiedirektorin Münch über politische Bildung in der Schule

Im anschließenden Hauptvortrag betonte Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing: „Selten war schulische politische Bildung so relevant wie heute.“ In ihren Ausführungen analysierte die promovierte Politikwissenschaftlerin den Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen und der steigenden Demokratieskepsis. Dabei ging sie auch auf die Rolle von Verschwörungsmythen und die Veränderungen im Informations- und Kommunikationsverhalten ein. „Die digitalisierungsbedingte ‚Demokratisierung‘ des Zugangs zu Informationen führt zu einer Pluralisierung des Wissens – und zu wachsendem Misstrauen in alte, vermeintlich elitäre Wissensformen. Digitale Kommunikation macht Zugang zu Verschwörungsmythen ‚niedrigschwellig‘ und beschleunigt deren Verbreitung dramatisch“, warnte Professorin Münch. Sie betonte, dass der Schutz von Freiheit und Demokratie nicht allein dem Staat überlassen werden dürfe und könne. Es gebe zusätzlich hohe Anforderungen an die Bürgerschaft: „Politische Bildung ist weit mehr als Wissensvermittlung über Institutionen. Politische Bildung muss unter anderem den Zugang zur erlebten Praxis ermöglichen. Dazu zählt auch die Bedeutung der Urteilsfähigkeit der Bürgerschaft. Es braucht die Notwendigkeit der Befähigung zum Grundverständnis für politische Prozesse sowie des Mediensystems und der digitalen Netzwerke.“

Die Akademieleiterin wies zudem auf die schwindenden Ressourcen – wie Geld, Zeit, Aufmerksamkeit oder Glaubwürdigkeit - für politische Bildung in Krisen- und Kriegszeiten hin. In einer anschließenden Diskussion berichteten die Teilnehmenden auch von demokratischen Organen innerhalb ihrer Schulen, wie etwa dem Klassenrat. Münch bezeichnete diesen als „wunderbares Beispiel dafür, Schülerinnen und Schülern zu zeigen, was Repräsentation eigentlich bedeutet“. Hier lohne es sich, die in der Schule oft knappe Ressource Zeit zu investieren.

Workshops vertiefen Tagungsthema

Nach einer Mittagspause mit Möglichkeit zu Begegnung und Austausch konnten die Teilnehmenden das Tagungsthema in Workshops wie „Politische Bildung an Katholischen Schulen“, „Projektideen für die Demokratiebildung von Kindern und Jugendlichen“ oder „Demokratie in der Kirche aus theologischer Perspektive“ vertiefen. Im Workshop „Zusammen gegen Antisemitismus“ gab Winfried Verburg, Schulabteilungsleiter des Bistums Osnabrück und Leiter der dortigen Schulstiftung, Einblicke in die Antisemitismusprävention und -bekämpfung. Als Reaktion auf den Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 hatten Verantwortliche der Schulstiftung um Verburg und Rabbiner Efraim Yehoud-Desel die Aktion „Zusammen gegen Antisemitismus“ ins Leben gerufen, mit der die Stiftungsschulen Stellung gegen Judenfeindlichkeit und Diskriminierung beziehen. In diesem Zusammenhang ist auch das ökumenische Gütesiegel für Antisemitismusprävention und -intervention an kirchlichen Schulen entstanden. Yehoud-Desel steht den Stiftungsschulen zudem neben seiner Tätigkeit als jüdischer Religionslehrer auch als Experte zur Verfügung.

Triegel über Kunst und Freiheit in der DDR

Abschließend gab der Maler und Künstler Michael Triegel im Rahmen eines Zeitzeugen-Gesprächs Einblicke in sein Werk und sein Verständnis von Freiheit. Der gebürtige Erfurter habe während seiner Kindheit und Jugend in der DDR Kunst unter anderem als Fluchtraum erfahren. „Da war auf einmal eine Welt, die war mir völlig unbekannt. Die war eben nicht so grau wie der Alltag“, so Triegel. Für die musikalische Gestaltung während der gesamten Veranstaltung sorgten Schülerinnen und Schüler der Erfurter Edith-Stein-Schule.

Nächster Bundeskongress wird ökumenisch

Der Bundeskongress Katholische Schulen ist die zentrale Veranstaltung des katholischen Schulwesens in Deutschland. Er wird alle zwei Jahre von der Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz veranstaltet. Das Gremium befasst sich mit Fragen der institutionellen Erziehung und Bildung in der Kindheit und im Jugendalter, unter anderem mit der Entwicklung der Katholischen Schulen. Vorsitzender der Kommission ist Hans-Josef Becker, Erzbischof von Paderborn. Im vergangenen Jahr fand aufgrund der Pandemie eine digitale Fachtagung statt. Am 26. und 27. September 2024 wird die Veranstaltung laut Ankündigung erstmalig als ökumenischer Bundeskongress kirchlicher Schulen in Aachen stattfinden.

(mam)