„Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen“, lautet ein Zitat von Max Frisch.
Was es für mich hieß, Anspruch an eine Bildungseinrichtung mit christlichem Profil zu stellen? Vermutlich hätte ich nur antworten können, dass ich mit Latein- und Religionsunterricht rechnen darf. Da ich aus verschiedenen Gründen bereits überdurchschnittlich viele und ausschließlich staatliche Bildungseinrichtungen besucht habe, kam es mir kaum in den Sinn, dass mich ein Schulbetrieb noch überraschen könnte. Hat er aber. An dieser Schule herrschen eine besondere Atmosphäre und ein klares christliches Profil.
Corona-Krise hat Zusammenarbeit gefördert
Indem ich meinen Anspruch anfänglich pragmatisch formulierte, stelle ich heute fest, dass sein Umfang doch ein anderer geworden ist. Wie essenziell Bildung für ein selbstbestimmtes und sozialisiertes Leben sein kann, wurde mir vor allem im Distanzunterricht während der Corona-Krise noch deutlicher bewusst. Unsere Klasse besteht - wie auch die anderen Kurse – aus den unterschiedlichsten Menschen und doch haben uns die Herausforderungen des Distanzunterrichts in Kommunikation treten und zusammenarbeiten lassen. Dass sowas ohne gegenseitige Wertschätzung nicht möglich wäre, ist selbstredend. Den Grund hierfür vermute ich mitunter im Anspruch, den das Nikolaus-Groß-Abendgymnasium seinerseits an die Studierenden stellt: zwischenmenschlich hohe Werte. Es sind auch die Gespräche auf Augenhöhe und eine lebendige, interaktive Wissensvermittlung. Wie anspruchsvoll und vielseitig Religionsunterricht sein kann, war nicht nur für mich eine Überraschung. Was es für eine Religions-Klausur zu pauken heißt, erfahren wir im kameradschaftlichen Austausch als zeitgemäß – in welchem Ausmaß die Kirche in der Moderne angekommen ist, war vielen von uns noch gar nicht in den Sinn gekommen. Online die Bibel nachschlagen, theologische Vorträge oder Podcasts hören, darauf wären freizeitbedingt viele wahrscheinlich nicht gekommen. Uninteressant sind die Lerninhalte nicht, gesetzt sie wecken Interesse an wissenschaftlichem Arbeiten, bei gleichzeitiger Beschäftigung mit existenziellen Fragen. Erfüllt sehe ich an unserem Religionsunterricht beides.
Selbstbestimmtes Lernen wird immer wichtiger
Wie mein Anspruch heute aussieht? Er hat sich erweitert. In Zusammenarbeit mit dem Land NRW formulierte unsere Schule als Entwicklungsziel: stärkeres selbstbestimmtes Lernen. Mit diesem Ziel können sich Schüler heute vermutlich mehr denn je identifizieren. Das Informationszeitalter scheint altbewährte Ordnungen zunehmend zu wandeln und was es für Schüler in der Moderne heißt, solcherlei Selbstverantwortung zu erhalten, zeigte sich seit dem Lockdown in noch nie dagewesenem Maße. Es gilt weiterhin in Zusammenarbeit zueinander und mit der Lehrerschaft neue Konzepte mitzugestalten und dabei ebenso den hohen Anspruch auf die zwischenmenschlichen Werte beizubehalten. Ich denke das ist ein An- und Zuspruch aller aneinander, indem unserer Schule eine zukunftsfähige und krisenfeste Bildung bieten will.
Von Katrin Gehrke