Frage: Wie gestalten Sie vor diesem Hintergrund den Religionsunterricht?
Terhorst: Ich kann im Rahmen des Religionsunterrichtes auf wenig religiöses Vorwissen bei den Lernenden zurückgreifen, aber andererseits auch auf viel Interesse stoßen. Das liegt vielleicht auch daran, dass wir als katholisches Berufskolleg von unserer Seite aus sagen: Wir sind für Euch da, wenn es Probleme gibt. Andere Schülerinnen und Schüler wiederum entscheiden sich bewusst zu einem katholischen Berufskolleg zu gehen, weil sie genau ihre Lebensfragen im Rahmen des Unterrichts thematisiert haben wollen, um für sich selbst mehr Orientierung zu bekommen.
In der Praxis bedeutet das für mich als Lehrer, dass wir uns im Religionsunterricht darüber unterhalten können, was ein Menschenbild ist, und zwar ein christliches Menschenbild, ohne dabei andere Religionen auszuschließen. Es heißt aber auch, dass ich auch Fragen außerhalb des Lehrplans beantworten muss.
Es braucht meiner Ansicht nach Religionsunterricht, der Themen so zur Sprache bringt, dass im Rahmen einer Diskussion die Schülerinnen und Schüler für sich selbst sagen können: Da fühle ich mich angesprochen. Bestenfalls wollen sie mehr erfahren. Als Lehrer muss man aber auch damit umgehen, dass Lernende sich abwenden.
Frage: Sie sprechen also vom Religionsunterricht als Hilfe zur Selbständigkeit und Menschenbildung. Können Sie das noch einmal genauer erklären?
Terhorst: Ich bin ganz klar religiös geprägt. Mein Menschenbild ist im Kern und Angelpunkt das Bild, das Jesus – biblisch überliefert – artikuliert hat: Das Menschenbild, das er in seiner Haltung, seinen Reaktionen, seinem Umgang mit Menschen eingebracht hat und wofür er stand.
Er suchte Kontakt zu jedem Menschen, unabhängig von Beruf oder Interesse. Jesus hat immer auf Gott hingewiesen. Gott ermöglicht es, das Maximale aus unserem eigenen Potenzial, aus unserem eigenen Leben, herauszuholen.
Unser Ordensgründer Vinzenz Pallotti spricht vom Gott der unendlichen Liebe. Mit diesem Menschenbild wird diese unendliche Liebe, die das Leben für uns zur Verfügung stellt, erfahrbar, spürbar und nahbar, so dass ich im Idealfall mein ganzes Potenzial ausschöpfe.
Frage: Was bedeutet die Schulseelsorge für Sie?
Terhorst: Schulseelsorge hat etwas mit Leidenschaft zu tun. Gerade in der Coronazeit habe ich mich auf alle möglichen Probleme eingelassen und mich dabei etwas selbst vergessen. Heute weiß ich: Das Amt der Seelsorge bedeutet auch, für sich selbst Seelsorger zu sein. Mein christliches Selbstverständnis ist wichtig dafür, den Schülerinnen und Schülern zu signalisieren, dass sie so wie sie sind, mit ihrem Denken, ihrem Fühlen und auch mit all ihren Problemen, gewollt und geliebt sind. Sie alle haben einen Grund und eine Daseinsberechtigung. Als Schulseelsorger möchte ich sie darin stärken, dass dieses Gefühl des Gewolltseins im Alltag eine Unterstützung ist.
Frage: Welche Situation aus ihrem Unterricht fällt ihnen dazu ein?
Terhorst: Ich hatte eine Schülerin in meinem katholischen Religionsunterricht, die zu Beginn des Schuljahres klar artikuliert hat: „Ich weiß gar nicht, warum ich im Religionsunterricht sitze. Ich gehöre gar nicht hierher, gar nicht auf diese Schule. Ich bin nur hier, weil ich keine Alternative hatte.“ Diese Schülerin fragte mich einmal im Unterricht: „Herr Terhorst, dieses Beten, was ist denn dieser Blödsinn eigentlich? Wofür brauchen wir das?“ In diesem Moment war klar, ich musste im Unterricht auf diese Frage eingehen. Ich habe ihr also erklärt, dass ein Gebet ermöglicht, in einer Art und Weise mit Gott Kontakt aufzunehmen.
Ich organisiere einmal im Jahr eine Fahrt nach Taizé und diese Schülerin hatte sich zur Fahrt angemeldet. Vor allem wegen der Jugendbegegnung und weil sie „mal raus“ wollte, wie sie sagte. In Taizé habe ich dann mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmer über das Thema Gebet gesprochen. Abends sehe ich dann diese eine Schülerin im Rahmen der offenen Kirche. Ich hatte von außen den Eindruck, dass sie sich eingelassen hat auf das Gebet im Sinne von: Ich bin da, ich bin vor Gott, ich artikuliere meine Gedanken und versuche in irgendeiner Art und Weise einen Moment göttlicher Nähe zuzulassen. Ich würde also sagen: Als Relilehrer, Ziel erreicht.
Das Interview führte Claudia Klein / mam
Hinweis: Das Interview ist zuerst auf unserem Partnerportal rpp-katholisch.de erschienen.