Die weißen Hosen an den Beinen fest zugebunden, die Handschuhe bis fast zum Ellenbogen hochgezogen, der Schleier vor dem Gesicht – ein bisschen wie Astronaut-Sein fühlt es sich wohl an, so eingepackt in Schutzkleidung. Doch die Kinder müssen sich schützen, denn mittwochs in der siebten und achten Stunde ist Bienenzeit!
In der Luft summt und brummt es. Die Schülerinnen und Schüler der Imker-Arbeitsgemeinschaft (AG) des Gymnasiums Marianum in Meppen stehen in kleinen Gruppen um die Bienenstöcke herum. Ziel ist es, den Bienenstock – in Imkersprache die sogenannte Beute – auf den Winter vorzubereiten. Die wichtigste Frage: Muss man die Bienen eventuell gegen die Varroamilbe behandeln? Ach ja, und Zuckerlösung fehlt auch noch...
Winterdienst für die Bienen
„Jetzt im Oktober ist es erst einmal wichtig, dass wir die Bienen winterfest machen. Das heißt: Wir füllen Zuckerlösung ein und kontrollieren den Milbenbefall“, erklärt Kathrin Hartmann, Leiterin der Imker-AG am Marianum, Lehrerin für Französisch und Latein und passionierte Hobbyimkerin. „Natürlich gehen auch wir in die Winterpause. Dann lassen wir die Bienenstöcke in Ruhe und wir treffen uns beispielsweise, um Kerzen zu basteln.“
Und wie ist das jetzt mit den Milben? Die Kinder hören aufmerksam zu. Sie müssen ganz genau hinschauen, um den Parasiten zu finden. „Die Varroamilbe ist für die Biene in etwa so, wie für uns Menschen die Zecke“, erklärt Kathrin Hartmann. „Sie überträgt Krankheitserreger, die die Biene krank machen und schwächen. Die braucht ihre Kraft aber, um über den Winter zu kommen.“
Die Idee zur Imker-AG hatte im Jahr 2014 die Deutsch- und Biologielehrerin Karin Schmid. Sie trieb den Ausbau mit viel Eigenarbeit, hohem zeitlichen und persönlichen Aufwand und Engagement voran. Zunächst war es ein Gemeinschaftsprojekt der beiden Lehrerinnen. Dann übergab Kathrin Schmid den Staffelstab an die Kollegin Kathrin Hartmann.
Winterdienst am Bienenstock: Die Kinder der Imker-AG untersuchen die Bienen nach Varroamilben.
Unterstützung von der Bingo-Umweltstiftung
Heute führt Kathrin Hartmann die Arbeit erfolgreich weiter. Sie stellt das ganze Jahr über die Versorgung der Bienenvölker sicher, denn Bienen kennen keine Ferien.
Während der Schulzeit allerdings werden die Bienen auch von den acht Kindern der AG gehütet. „Besonders froh sind wir, dass wir in diesem Herbst von der BINGO-Umweltstiftung finanzielle Unterstützung bekommen haben“, sagt Kathrin Hartmann. „Unsere Imkerausrüstung ist beinahe zehn Jahre alt und ziemlich abgewirtschaftet. Sich konnte neue Schutzkleidung anschaffen. Die Kinder haben jetzt richtige Imkerhandschuhe aus Leder mit einem hohen Schaft. Bisher haben wir Gartenhandschuhe benutzt. Da ist es schon mal vorgekommen, dass eine Biene in den Handschuh gekrabbelt ist. Mit der neuen Ausrüstung passiert das nicht mehr.“
Im Frühjahr fällt der Imker-Startschuss
Im Frühling beginnt die eigentliche Bienenarbeit. „Es geht richtig spannend los, wenn wir die Bienen auswintern“, erzählt Kathrin Hartmann. Bewaffnet mit Imkerhose, Handschuhen, Haube und Netz geht es dann wieder zu den Bienenhäusern. „Die Winter sind zu unbeständig. Es gibt keine vernünftig kalte Phase, sodass wir in diesem Jahr die Bienen schon früh in der Brut hatten. Das wiederum hatte die Folge, dass die Schwarmlust der Bienen im April schon groß war und wir aufpassen mussten, dass sie uns nicht wegfliegen.“
Und die Schwarmstimmung zu erkennen und den Zeitpunkt abzupassen, in dem sich ein Volk teilen möchte, ist richtige Forschungsarbeit. Die heutige Aufgabe: Findet die Königin! Die Kinder der Imker-AG sind schon richtige Expertinnen und Experten. Fachmännisch begutachten sie die Waben: Hat das Volk bereits Brutwaben, sogenannte Weiselnäpfchen, gebildet? Sind diese mit einem Ei belegt? Wächst da vielleicht schon eine neue Königin heran? Wie unterscheiden sich die Weiselzellen, also die Brutwaben mit einer Larve, von den normalen Futterwaben? „Da muss man ganz genau hinschauen“, sagt Kathrin Hartmann. „Wenn man ein Anzeichen übersieht und ein Volk auszieht, dann bleibt die frisch geschlüpfte Königin mit ein paar Bienen zurück. Und der halbe Bienenstock hängt plötzlich an irgendeinem Baum und man kommt nicht mehr dran – alles schon mal da gewesen.“
Auch die Bienen sollen es in ihrem neuen Zuhause gemütlich haben. Die Kinder der Imker-AG streichen die neuen Bienenstöcke an.
"Die Männer unter den Bienen sind die Harmlosen."
Und dann die nächste Frage: Wo sind die Drohnen? „Jetzt könnt ihr auch mal den Handschuh ausziehen. Die Männer unter den Bienen sind die Harmlosen. Drohnen stechen nicht“, erklärt Kathrin Hartmann. „Drohnen erkennt man sofort. Sie sehen ein bisschen anders aus und sie brummen auch am lautesten.“
Und dann wird deutlich, dass das Imkersein für die Kinder auch tatsächlich etwas mit Selbsterfahrung zu tun hat, mit Grenzen überschreiten und Angst überwinden. Während die Bienen um ihre Köpfe schwirren, summen und brummen, bleiben die Jungimkerinnen und -imker ruhig und gelassen. Sie wissen: Die Bienen stechen nur, wenn sie sich bedroht fühlen. Und die Männer können schon mal gar nicht stechen.
Kathrin Hartmann ist es wichtig, dass ihre AG-Kinder einen vorsichtigen und behutsamen Umgang mit den Tieren lernen. „Die positiven Erfahrungen im Umgang mit den Bienen übertragen sie auch auf andere Insekten.“ Und am Ende jeder Mittwochs-Imker-Stunde sind die Kinder stolz: Stolz darauf, sich ein kleines bisschen besser selbst zu kennen und auch stolz darauf, mehr über den Umgang mit Insekten zu wissen als andere Mitschülerinnen und Mitschüler.
Honig ist mehr als „Bienenkotze“
Und was ist mit dem Honig? „Der wird zweimal im Jahr geerntet“, erklärt Kathrin Hartmann. Und auch das ist die Arbeit der Schülerinnen und Schüler der Imker-AG. „In diesem Frühjahr haben wir zwischen 50 und 60 Kilogramm Honig geerntet. Das ist tatsächlich eine gute Ausbeute. Dieses Frühjahr war sehr feucht, was gut für die Biene ist. Der Sommer war vom Ertrag her nicht ganz so gut“, sagt Kathrin Hartmann.
Nach der Ernte füllen die Jungimkerinnen und -imker den Honig selbst ab und etikettieren die Gläser. Verkauft wird der Honig in den Schulpausen an Mitschülerinnen und -schüler, Lehrerinnen und Lehrer und an Eltern. „Der Honig ist immer anders. Die Frühtracht schmeckt anders als die Spättracht“, erklärt Kathrin Hartmann. „Meine Kinder aus der AG sind schon richtige kleine Honig-Sommeliers: Je nachdem, was gerade blüht, schmeckt man das dem Honig an.“
Der Erlös aus dem Verkauf deckt die laufenden Kosten bei der Honigproduktion. Ein Posten ist zum Beispiel die natürliche Behandlung der Bienen gegen die Varroamilbe. „Hier verzichten wir bewusst auf die Chemiekeule“, sagt Kathrin Hartmann. „Aber auch biologische Mittel sind teuer und ohne geht es halt nicht.“ Auch die Zuckerlösung, die den Bienen im Winter als Nahrung dient, kostet Geld. Ebenso das Material für das Abfüllen des Honigs. „Doch dank der Unterstützung der BINGO-Umweltstiftung konnten wir die Imkerei in diesem Jahr nicht nur sanieren, sondern auch erweitern“, sagt Kathrin Hartmann. Aus ursprünglich drei Bienenvölkern sind jetzt fünf geworden. Die Beuten dazu, also die Bienenstöcke, hat die Umweltstiftung finanziert. „Das freut mich deswegen ganz besonders, weil jetzt immer zwei Kinder die Chance bekommen, einen Bienenstock zu betreuen. Jetzt kann jedes Kind mal Imkerin oder Imker sein.“ Und was passiert mit dem alten Wachs? „Das alte Wachs schmilzt man ein und dann wird er erneut genutzt“, sagt Kathrin Hartmann.
Äpfel selbst ernten und weiterverarbeiten: Im MINT-Labor stellen die Kinder selbst Apfelsaft her. „Wir machen nicht nur Unterricht. Wir machen auch viel Interaktives und sitzen nicht immer nur im Klassenraum“, sagt der 11-jährige Malte Gebken während er die Wanne mit den gehäckselten Äpfeln bewacht.
Im MINT-Profil Naturwissenschaft erfahren
Geschützt unter Bäumen stehen auf dem Gelände des Marianums zwischen der Streuobstwiese und dem Schulgarten die fünf Bienenstöcke in einer Reihe. Und genau wie die Bienenstöcke reiht sich auch im Schulkonzept des Marianums die Imker-AG neben der Garten-AG ein.
Doch auch die Schülerinnen und Schüler, die nicht an der Imker-AG teilnehmen, profitieren von den Umweltprojekten am Marianum. Sie wählen ein MINT-Profil. MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Und natürlich beschäftigt sich eine Unterrichtssequenz im naturwissenschaftlichen MINT-Profil auch mit der Biene. Dann sind die Klassen auch mal zu Besuch bei den Bienenhäusern. „Die Kinder erkennen, erleben und erfahren den Zusammenhang zwischen Bienen, Blumen und Pflanzen“, sagt Kathrin Hartmann.
Über Bienen, Äpfel und Apfelsaft
In der Klasse von Arno Krieger klappern die Glasflaschen im Einkochtopf. Seine Kinder bereiten die Flaschen für den selbstgepressten Apfelsaft vor. An einem anderen Tisch stehen einige Mädchen bei der Saftpresse und schauen zu, wie der goldgelbe Saft aus dem frisch gepressten Apfel durch den Filter in einen Behälter läuft. Es duftet herbstlich nach Obst.
So wird Apfelsaft haltbar gemacht: In der MINT-Klasse von Arno Krieger (hier im Hintergrund) klappern die Flaschen im Einkochtopf.
Am Boden steht ein großer Obsthäcksler. Der 11-jährige Malte Gebken sitzt vor der Auffangwanne und schaut zu, wie die klein gehäckselten Apfelstücke herausfallen, während sein Mitschüler von oben die neuen Äpfel nachfüllt.
„Wir machen nicht nur Unterricht. Wir machen auch viel Interaktives und sitzen nicht immer nur im Klassenraum“, sagt Malte Gebken. „Letzte Woche haben wir zum Beispiel schon Rotkohlsaft gemacht. Heute waren wir Äpfel pflücken und machen Apfelsaft selbst.“
„Ohne die Bienen gäbe es keine Äpfel und wir könnten keinen Apfelsaft machen“, erklärt Arno Krieger. Arno Krieger, normalerweise Lehrer für Chemie, Physik und katholische Religion, ist heute der „Apfelsaft-Lehrer“ der MINT-Klasse. Er findet, auch die Lehrer profitieren in ihrer Arbeit von dem Konzept. „Das Schöne ist, dass wir in den fünften und sechsten Klassen keine Noten für die Leistungen im MINT-Profil geben. Die Schüler agieren hier frei und auch wir Lehrende haben am Ende nicht den Druck der Leistungserhebung.“
Apfelsaft schmeckt selbstgemacht am besten
Die Kinder probieren derweil ihren selbstgemachten Apfelsaft oder essen Äpfel von der Streuobstwiese. Und auch der Apfelsaft aus der Krieger-Klasse wird später in der Pause zum Verkauf angeboten: „In einer Unterrichtsstunde schaffen wir etwa 90 Flaschen Apfelsaft“, sagt Krieger. Das professionelle Equipment zur Apfelsaftproduktion wurde übrigens mit der finanziellen Hilfe der BINGO-Umweltstiftung angeschafft. „Das hier ist der direkteste Saft, den man kriegen kann: von der eigenen Wiese mit allen Apfelsorten, unbehandelt und ungespritzt“, erklärt Krieger. „Im Grunde muss man die Äpfel noch nicht einmal abwaschen. Sie haben nur Regenwasser gesehen.“
Naturwissenschaft mit braun-gelben Streifen
Und so macht das Gesamtkonzept aus Bienen, Garten, Streuobstwiese, Umwelt AGs und MINT-Profilen einen Sinn: Die Kinder erfahren in der Praxis, welche Rolle die Biene spielt und welche Bedeutung sie für den Ernteertrag im Garten und auf der Streuobstwiese hat. Der Zusammenhang Umwelt, Natur und Biene erklärt und zeigt sich an praktischen Beispielen, am Arbeiten in der Natur.
Durchprobieren erlaubt! Am besten schmeckt der Apfelsaft, wenn er frisch aus der Presse durch den Filter läuft.
Beim Umweltkonzept am Marianum geht es nicht nur um stupides Wissen aus einem Schulbuch. Mit der Imker-AG bekommt Naturwissenschaft Farbe und lebt, sie summt und brummt, macht Spaß und Laune, weckt Interesse, fordert heraus, macht Mut und wird mit diesem braun-gelb-gestreiften Bienenanstrich erfahrbar und erlebbar.
Jede AG geht einmal zu Ende: Die Königin ist gefunden. Auch die Drohnen sind im Herbst nicht mehr zu sehen, die Milben sind gezählt, die Zuckerlösung ist verabreicht. Alle Imkerhosen, Schleier und Handschuhe sind ordentlich verstaut. Nach dieser letzten AG-Stunde in diesem Jahr wissen die Kinder: Sie haben ihre Bienen gut für den Winter versorgt. Die Kinder der Imker-AG haben ihr Bestes gegeben: Das Durchkommen der Bienen liegt jetzt in Gottes Hand. Und das schönste Geschenk für die Lehrerin Frau Hartmann nach einer langen Imkersaison ist, wenn die Imker-AG über die Schule hinaus weiterwirkt: „Und so ist einer der ehemaligen Schüler Imker geworden, züchtet selbst Königinnen, steht mit uns weiterhin in Kontakt und bereichert unsere Arbeit“, erzählt Kathrin Hartmann. „Darauf sind wir sehr stolz.“
Eine Reportage von Claudia Klein