Frage: Wie versuchen Sie in den Modulen die Ansätze der Schöpfungspädagogik den Lehrkräften näher zu bringen?
Lucia Jochner-Freitag: Im vergangenen Modul waren wir zum Beispiel einen ganzen Nachmittag in der Natur und haben verschiedene Wahrnehmungsübungen gemacht. In unserer digitalisierten Welt ist das ein sehr wichtiger Aspekt, denn wenn wir nur vor dem Computer sitzen, dann verarmen unsere Sinne. Diese wieder zu schärfen ist etwas Grundlegendes in unserer schöpfungspädagogischen Arbeit. Gleichzeitig wollen wir den Teilnehmenden Räume schaffen und sie darin begleiten, für sich selbst eine kleine Vision für die Zukunft zu entwickeln.
Isabel Otterbach: Es ist ganz wichtig, dass die teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer erst einmal als Menschen da sind, unabhängig von ihrer Funktion. Und dass sie persönlich diese Erfahrung in der Natur machen. Idealerweise wird dadurch auch der Wunsch bei den Teilnehmenden geweckt, in der Schule öfter nach diesem Ansatz zu wirken: in die Natur gehen, spüren, eine Vision von einer klimafreundlichen und enkeltauglichen Welt entwickeln und daraus in die Schule wirken.
Frage: Was meinen Sie an dieser Stelle mit „Vision“?
Lucia Jochner-Freitag: Das Wort „Vision“ ist schwierig. Damit ist nicht gemeint, dass jeder oder jede eine göttliche Himmelsschau im Sinne von Hildegard von Bingen hat. Es ist vielmehr die Ahnung einer lebensvollen Zukunft gemeint. Eine Ahnung, die uns trägt und Kraft gibt. Eine Vision hilft mir, eine konkrete Vorstellung zu schaffen. Im Laufe der Weiterbildung entwickeln die Teilnehmenden aus diesen Visionen konkrete Umsetzungsprojekte.
Frage: Was für eine Art von Spiritualität wollen Sie auf diese Weise in der Weiterbildung vermitteln?
Isabel Otterbach: Die Spiritualität, die wir zu vermitteln versuchen und die dem Ganzen zu Grunde liegt, bezieht sich auf eine innere Haltung. Papst Franziskus spricht von einer ökologischen Spiritualität, die dem betrachtenden Staunen über die Schöpfung und die Geschöpfe entspringt. Es macht meines Erachtens einen Unterschied, mit welcher Haltung man konkrete Projekte angeht. Bis zum Beispiel eine Photovoltaik-Anlage an einer Schule umgesetzt ist, braucht es viel Energie. Durch die Weiterbildung sollen die Teilnehmenden möglichst so viel intrinsische Motivation erlangen, um zu wissen, wie und warum sie solche Projekte angehen. Wichtig ist dabei auch die Vernetzung, dass niemand diesen Weg allein gehen muss.
Johanna Tyllack: Deshalb war auch ein Anliegen, dass man erstmal den Lehrerenden etwas bietet, indem man ihnen einen Raum gibt und dass man sie wertschätzt. Das ist sonst oft vom Konzept her anders bei Lehrerfortbildungen. Oft sind diese an einen festen Ablaufplan gekoppelt, man soll etwas lernen und es dann so anwenden. Aber hier bekommt man erst einmal etwas geschenkt und kann davon etwas weitergeben. Das wird auch bei den Teilnehmenden spürbar, die sich über die Angebote der Weiterbildung auch für sie persönlich freuen.
Frage: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus unterschiedlichen Fachbereichen. Wie können sie die Ansätze der Schöpfungspädagogik konkret im Unterricht einsetzen?
Isabel Otterbach: Normalerweise würde man in der Schule bestimmte Themen wie Schöpfung vielleicht nur gesondert im Religionsunterricht oder im Biologieunterricht behandeln. Unser Anliegen ist es, dass solche Themen fächerübergreifend aufgegriffen werden. Schöpfungsverantwortung ist als zentrales Element im Bildungsauftrag der Erzbischöflichen Schulen verankert, deshalb wird im Rahmen der Weiterbildung der Anreiz gesetzt, diese Themen in die gesamte Institution Schule einzubeziehen.
Lucia Jochner-Freitag: Was für die Einzelnen wichtig ist, ist ganz unterschiedlich. Durch unsere unterschiedlichen Qualifikationen im Leitungsteam können wir vielfältige Impulse setzen. Und natürlich kommt die Frage: Was kann ich davon in meinen Englischunterricht mitnehmen? Oder was mache ich jetzt damit im Kunstunterricht? Wir haben uns zum Beispiel mit vorurteilsfreier Wahrnehmung beschäftigt. Wenn ich heutzutage eine Nachricht auf mein Handy bekomme, werde ich dazu verleitet, sofort zu reagieren und schnell eine Wertung zu treffen. Dadurch wird eine vertiefte Betrachtung von Zusammenhängen erschwert. Komplexe Problemstellungen lassen, sich jedoch meist nicht so knapp beantworten. Durch eine vorurteilsfreie Wahrnehmung lasse ich mich erst einmal unvoreingenommen auf ein Thema oder eine Problemstellung ein. Eine Teilnehmerin, die Kunstlehrerin ist, hat zum Beispiel für sich entdeckt, dass sie mit ihren Schülerinnen und Schülern in der abstrakten Kunst auf diese Weise arbeiten kann. Abstrakte Kunst lädt ein, das Werk unvoreingenommen zu betrachten, denn es hat keine konkreten Darstellungen und Inhalte, die sich auf Anhieb einordnen ließen.
Johanna Tyllack: Das Ziel sollte auch sein, den Schülerinnen und Schülern mit dieser Unvoreingenommenheit zu begegnen. Ich denke, wenn man dies selbst einmal erfahren hat, kann man es auch leichter weitergeben.