Jungen ticken anders

  • Teilhabe und Gerechtigkeit | 05.04.2018

Jungen gelten heute oft als Bildungsverlierer. Sie sind unruhig im Unterricht, haben schlechtere Noten und drehen häufiger eine Ehrenrunde als ihre weiblichen Altersgenossen, heißt es. Am Bischöflichen Willigis-Gymnasium in Mainz klingt das anders. Denn dort stehen die Jungen im Mittelpunkt.

 

Seit rund 150 Jahren dreht sich am katholischen Willigis-Gymnasium nun schon alles um die Jungen. An der Schule mit monoedukativem Konzept machen die Schüler nach acht Jahren das Abitur. Für die Klassen sieben bis neun ist der Ganztagsunterricht verpflichtend, für die Klassen fünf bis sechs obligatorisch. Zusätzlich ist eine koedukative Realschule im Schulverbund angegliedert. Sowohl für Jungen als auch Mädchen gibt es Möglichkeiten, in die Oberstufe des Gymnasiums überzugehen.

Jungen raufen, sind wettbewerbsorientiert und loten ständig ihre Grenzen aus. Das sind nur einige Verhaltensweisen männlicher Schüler, die Michael Kuntz bei seiner Arbeit als stellvertretender Schulleiter am Willigis-Gymnasium erlebt. Kuntz und seine Kollegen an der Mainzer Jungenschule haben ihre Pädagogik komplett auf Jungen ausgerichtet: die Schwächen der Schüler erkennen, Stärken und Talente entdecken und fördern. Das christliche Menschen- und Weltbild ist dabei das Fundament.

 

 

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Interessieren Sie sich für Jungenpädagogik und möchten mehr über die konkrete Umsetzung im Unterricht erfahren? Dann empfehlen wir Ihnen den Text „Wir können Jungs“ von Michael Kuntz. Der stellvertretende Schulleiter des Bischöflichen Willigis-Gymnasiums in Mainz berichtet ausführlich vom Alltag in der Jungenschule und stellt Ideen vor, wie Jungen besser gefördert werden können.

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Schule gestalten, Verantwortung tragen

Stärken und Talente fördern, das heißt an dem Mainzer Jungengymnasium auch mithandeln, mitentscheiden und mitverantworten. In die Planung von Unterricht und Schulalltag ist die gesamte Schulgemeinschaft involviert. Auch darüber hinaus gibt es für die Schüler viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Rund 30 ausgebildete Jungen sind in jedem Schuljahr im Einsatz, um Verletze und Kranke zu versorgen. Streitschlichter sorgen dafür, dass Konflikte konstruktiv ausgetragen werden. Und Medienscouts helfen bei einem reflektierten Umgang mit Sozialen Netzwerken. Das sind nur einige Möglichkeiten für Schüler, sich in die Schulgemeinschaft einzubringen.

 

 

Stärken entdecken im Fachunterricht

Auch im Fachunterricht ticken Jungen anders als ihre weiblichen Altersgenossen, weiß Pädagoge Michael Kuntz. Dort seien jungenspezifische Themen gefragt. Und bei Lehrern auch mal der Mut zur Überforderung der Schüler. Denn bei Jungen gelte: „Nur wenn ich scheitern kann, ist es reizvoll!“ Zusätzlich bräuchten männliche Schüler mehr Bewegung im Unterricht, klare Ansagen und Regeln, Raum für eine „Differenz-Kultur“ sowie gruppenorientiertes Lernen. An die bei Jungen tendenziell eher unbeliebten Fremdsprachen werden die Schüler am Willigis-Gymnasium langsam herangeführt und ihr Interesse daran mit der Teilnahme an Wettbewerben geweckt.

Natürlich stehen ebenso „typische Jungenthemen“ an der Katholischen Schule auf dem Stundenplan. Informatik, Robotik und Technik runden das Angebot in den klassischen Naturwissenschaften ab. Die „Rauf-Pause“, Spiel- und Tobgeräte auf den Pausenhöfen und sport- und erlebnispädagogische Klassen- und Kursfahrten sorgen dafür, dass die Jungen ihren Bewegungsdrang ausleben können.

 

 

Gott hat einen Platz in der Schulgemeinschaft

Glaube und Spiritualität gehören ebenso zum Schulalltag wie Französisch, Informatik oder Sport. In dem für alle verbindlichem Religionsunterricht reflektieren die Schüler offen und auch kritisch den christlichen Glauben und das Leben. Gottesdienste, Besinnungstage und ein bestärkendes Motto für jedes Schuljahr begleiten die Jungen. Bei Problemen und Fragen stehen die Angebote der Schulseelsorge und ein Schulpsychologe für Gespräche zur Verfügung.

 

 

Was bleibt? Zufriedene Schüler!

Viele Schüler blicken nach ihrem Abschluss am Willigis-Gymnasium positiv auf ihre Schulzeit an der Jungenschule zurück, wie Michael Kuntz berichtet. Auch Vincent Ritter aus dem Abiturjahrgang 2017 ließ in seiner Abschlussrede die Schulzeit Revue passieren: „Verantwortung mit einer eigenen Gruppenstunde, arbeiten im Team, viele Bekanntschaften und neue Freunde. Das Jahr wird bereichert durch Zeltlager und zahlreiche kleinere Veranstaltungen – immer wieder auch für wohltätige Zwecke.“ Das wichtigste sei aber die Gemeinschaft betont der Abiturient. „Man kennt sich, man grüßt sich. Jeder hat hier seinen Platz, seine Rolle und wird so akzeptiert, wie er ist. Man wird hier nicht einfach fallen gelassen.“ Das liege an der Schulseelsorge und an den vielen Lehrern, die nicht über sondern hinter den Schülern stünden – das ganz besondere „Willigis-Klima“ eben.

Text: Maike Müller

Bilder: Thomas Rausch

 

 

 

Kontakt:

Bischöfliches Willigis-Gymnasium

Willigisplatz 2

55116 Mainz

Tel.: 06131/28670-0

www.willigis-online.de