Frage: Herr Oberdörfer, Sie und Ihr Team sind für das Projekt „Ein Maibaum in der Schule“ mit dem zweiten Platz des Deutschen Lehrerpreises ausgezeichnet worden. Was ist das für ein Projekt?
Patrick Oberdörfer: Angefangen hat alles damit, dass wir bei uns in der Aula einen prächtigen Christbaum von knapp über sieben Meter Länge stehen hatten. Die Idee, einen Maibaum für die Schule zu machen, die hatte ich schon sehr lange irgendwo im Hinterkopf. Dann dachte ich mir, wo wir jetzt schon so einen schönen Baum haben, sollten wir das jetzt mal in die Realität umsetzen. Im Endeffekt haben wir den Christbaum dann recycelt und einen Maibaum daraus gemacht.
Frage: Wie sah das dann genau aus?
Oberdörfer: Von der Pike weg: entastet, entrindet, gestrichen und lackiert. Die Maler haben die Metallschilder, die sie wiederum aus einer anderen Abteilung bekommen haben, mit unseren Schulpiktogrammen versehen. Als Projektleiter habe ich das alles organisiert und zwischen den anderen Abteilungen koordiniert. Am Ende waren neun unserer 14 Fachbereiche beteiligt. Es waren die Floristen, die Schneider und die Gartenbauabteilung dabei. Die Frisöre sind am Ende auch noch ganz spontan dazugekommen.

Frage: Die Frisöre?
Oberdörfer: In der zweiten Projektphase wurde ein Schulfest organisiert, bei dem der Maibaum dann auch aufgestellt wurde. Alles traditionell bayerisch. Dafür haben die Frisöre den Schülerinnen Zöpfe geflochten. Das ist momentan bei den Volksfesten groß in Mode. Für das Essen waren die Bäcker und Metzger zuständig. Es wurden Brezen und Semmeln gebacken und Würste hergestellt. Die Unkosten für die Verpflegung hat unser Förderverein übernommen. Das war insgesamt eine runde Sache. Aus einer kleinen Idee ist dann etwas recht Großes geworden. Das funktioniert natürlich nur, wenn man ein Kollegium und eine Schulleitung hat, die solche Aktionen unterstützen. Das klappt zum Glück bei uns immer wieder sehr gut.

Frage: Sie bereiten an der Adolf-Kolping-Berufsschule junge Menschen auf eine berufliche Ausbildung in einem Lehrbetrieb vor. Was wollten Sie ihren Schülerinnen und Schülern mit dem Maibaumprojekt vermitteln?
Oberdörfer: Die Schülerinnen und Schüler, mit denen wir dieses Projekt gemacht haben, waren fast alle im Berufsvorbereitungsjahr. Außerdem haben wir an unserer Schule ein typisches Großstadtklientel. Die meisten sind nicht unbedingt mit handwerklicher Arbeit aufgewachsen und einige haben vorher auch noch keinen Hammer in der Hand gehalten. Deshalb ist es wichtig, im Unterricht möglichst kleine Schritte zu gehen. Und ihnen auch Zeit zu geben, das Gelernte zu verarbeiten, zu reproduzieren und zu speichern. Dies beschreibt auch den Förderschwerpunkt unserer Schule. Der Maibaum war natürlich kein Hightech-Projekt, aber ein gutes bodenständiges, handwerkliches, bei dem sich unsere Schüler positiv entwickeln konnten. Das ist genau das Richtige für unsere Schüler.
Frage: An dem Projekt war ein großer Teil der Schulgemeinschaft beteiligt. Was haben die Jugendlichen dabei gelernt?
Oberdörfer: Das primäre Ziel war es, den Jugendlichen zu zeigen: Ihr habt den Maibaum gemeinsam gebaut. Und dieser schaut richtig schön aus. Seid stolz drauf! Das positive Gefühl, selbst mal etwas erstellt zu haben, das kannten die allerwenigsten schon. Das war für alle ein echtes Erfolgserlebnis. Es gab natürlich auch die eine oder andere Situation, wo wir nicht wussten, ob alles klappt. Aber es hat funktioniert, weil alle zusammengearbeitet haben. Und es war auch wirklich eine tolle Leistung!
Frage: Sie sprachen eben vom „Großstadtklientel“ an ihrer Schule. Mit was für einer Schülerschaft haben Sie es im Unterricht zu tun?
Oberdörfer: Die Jungen und Mädchen kommen aus 50 bis 60 verschiedenen Nationen. Da sind viele mit dem bayerischen Brauchtum "Maibaum" noch nicht wirklich in Berührung gekommen. Anders als in kleineren Gemeinden im Umland, ist in München diese Tradition nicht so präsent. Deshalb gab auch unsere Schulleiterin Frau Garufo dem Projekt das Motto „Tradition und Integration“.
Frage: Vom Christbaum zum Maibaum: Da fallen mir auch Begriffe wie "Upcycling" oder "Nachhaltigkeit" ein. Interessiert das Ihre Schüler?
Oberdörfer: Ganz ehrlich, wir haben sehr viele Schüler, die zu Hause existenzielle Probleme haben. Sei es Wohnraum, ausreichende Ernährung, Kleidung, familiäre Probleme oder finanzielle Schwierigkeiten. Da taucht das Thema Nachhaltigkeit bei den meisten überhaupt nicht auf am Horizont. Das ist sehr weit weg. Aber natürlich thematisieren wir es. Und am Ende entsteht auch ein Bewusstsein dafür, dass es schön ist, wenn man Dinge nicht einfach wegschmeißt.

Patrick Oberdörfer (l.) und sein Kollege Jochen Langer bei der Preisverleihung in Berlin
Frage: Zu guter Letzt: Wie haben Sie die Preisverleihung erlebt? Und wo werden Sie die Urkunde aufhängen?
Oberdörfer: Zur Preisverleihung bin ich mit meinem Kollegen Jochen Langer nach Berlin gefahren. Das Ganze fand in seinem sehr schönen Rahmen statt, es gab gutes Essen und die Frau von unserem Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, hielt die Festrede. Für mich als Lehrer war es vor allem aber ungewohnt, mal ein Danke zu hören. Diese Rückmeldung: Das war sehr gute Arbeit – das war einfach mal schön. Die meisten Lehrer leisten sehr gute Arbeit, hören das aber nicht sehr oft. Wo wir die Urkunde aufhängen, müssen wir uns noch überlegen. Im Moment liegt sie noch auf dem Schreibtisch. Aber vielleicht hängt sie bald vor dem Sekretariat, dort können sie dann alle sehen.
Text: Maike Müller
Bilder: Deutscher Lehrerpreis