Ausgezeichnet inklusiv

  • Teilhabe und Gerechtigkeit | 06.10.2017

Inklusion gehört zu den großen Herausforderungen des deutschen Schulsystems. Drei Schulen sind vor Kurzem für ihren besonderen Einsatz für inklusive Bildung mit dem Jakob Muth-Preis ausgezeichnet worden. Dazu gehört auch die Antonius von Padua Schule in Fulda. In der vom katholischen Antonius-Netzwerk betriebenen Grundschule lernen Kinder mit und ohne Förderungsbedarf gemeinsam und voneinander. Das funktioniert durch ein innovatives Konzept.

 

Lena steht vor der Tafel und stellt ihren Mitschülern den Stundenplan für den Tag vor. An der Antonius von Padua Schule machen das die Schüler, nicht die Lehrer. Damit alle Kinder das Tagesprogramm verstehen, benutzt das Mädchen neben Worten auch die Gebärdensprache. Die lernen alle Kinder an der inklusiven Grundschule. Mit dieser Szene gibt die Bertelsmann Stiftung in einem Video einen Einblick in den Alltag der Schule, die sie im Sommer mit dem Jakob Muth-Preis für inklusive Schule ausgezeichnet hat. Neben der Stiftung wird die Auszeichnung von der Deutschen Unesco-Kommission und der Behindertenbeauftragen der Bundesregierung, Verena Bentele, vergeben.

 

Von der Förderschule zur inklusiven Grundschule

Die Fuldaer Schule entstand aus einer 1904 gegründeten bürgerlichen Stiftung. Seit etwa 1908 bis in die 1990er Jahre hinein leiteten Vizentinerinnen die Schule für Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. 2015 wurde aus der Grundstufe der Förderschule eine inklusive Grundschule. Unter dem Motto „Die Schülerschule – gemeinsam sind wir Klasse“ lernen die Kinder nun klassenübergreifend von- und miteinander, jeweils in ihrem eigenen Tempo.

Ein besonderes Konzept

Pro Jahrgang kann die Grundschule 15 Kinder aufnehmen, fünf davon mit besonderem Förderbedarf. Das Besondere an der Antonius von Padua Schule ist das offene Raumkonzept. Es gibt keine festen Klassenräume, sondern eine große Halle und offene Lernräume. Die zusätzlichen geschlossenen Lernräume und das Lehrerzimmer sind verglast. Durch dieses architektonische Konzept können sich die Lerngruppen jahrgangsübergreifend mischen. Auch für die Auszeichnung mit dem Jakob Muth-Preis war dieser Aspekt ausschlaggebend, wie die Stiftung mitteilt. Lob für das gelingende Lernen gab es auch von der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung. „Die Antonius von Padua Schule zeigt, dass Inklusion sehr unterschiedlich umgesetzt werden kann. Hier öffnet sich eine Förderschule für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung“, sagte Bentele anlässlich der Bekanntgabe der Preisträger im Sommer.

Jeder lernt in seinem Tempo

Und noch etwas ist besonders am Konzept der inklusiven Grundschule. Jedes Kind lernt in seinem eigenen Tempo auf individuelle Lernziele hin. Lehrer Timo Bereiter erklärt dazu im Video der Stiftung: „Vom ersten Tag an ist es wirklich so, dass die Kinder wissen, dass jeder verschiedene Sachen kann, dass es verschiedene Talente gibt und jeder einfach unterschiedlich weit ist in seinem Lernen.“ Das unterstützt auch Schulleiter Hanno Henkel in dem Kurzportrait der Preisträgerschule: „Ein Kind bekommt dann eine gute Leistung bescheinigt, wenn es sich in dem Horizont seiner Leistungsmöglichkeit bewegt. Und das verstehen die Kinder sehr schnell, dass sie sich nicht mit dem Durchschnitt der Lerngruppe zu vergleichen haben, sondern mit ihrer eigenen Ausgangssituation.“

 

© Bertelsmann Stiftung / Thomas Kunsch

 

Im Anschluss an den Unterricht bietet die offene Ganztagsschule ein Mittagessen an. Anschließend werden die Schüler bei Hausaufgaben betreut oder erhalten Therapien. Derzeit sind die Klassen eins bis vier der Antonius von Padua Schule inklusiv. Die Jahrgänge fünf bis zehn sind noch eine reine Förderschule. Insgesamt lernen und arbeiten 100 Schülerinnen und Schüler und 15 Lehrer an der Schule.

Auszeichnung für inklusive Schule

Der Jakob Muth-Preis für inklusive Schule zeichnet seit 2009 Schulen aus, in denen Kinder mit und ohne Förderbedarf vorbildlich gemeinsam lernen. Der Preis ist pro Schule mit 3.000 Euro dotiert. Namensgeber ist der Pädagogikprofessor Jakob Muth, der sich für die Integration behinderter Kinder in das allgemeine Schulwesen einsetzte.

Von Maike Müller

 

Gemeinsamer Unterricht hat viele Formen:

In den Schulen in Deutschland gibt es viele verschiedene Formen gemeinsamen Unterrichts von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung. Sie reichen von einer Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung in den allgemeinen Unterricht bis zu umfassenden Ansätzen des gemeinsamen Lernens.

 

Eine integrative Schule bindet ein Kind mit Behinderung in einen Schulalltag ein, der nicht speziell auf behinderte Schülerinnen und Schüler ausgerichtet ist. Eine inklusive Schule ist von vorneherein explizit für alle Kinder offen und auf Schülerinnen und Schüler mit Behinderung ausgerichtet. Man könnte die Inklusion als eine erweiterte Form der Integration beschrieben. Allerdings sind die Grenzen zwischen den beiden Begriffen oft schwimmend und gehen ineinander über.

 

Weitere Informationen zu diesem Thema gibt es zum Beispiel in der Empfehlung der Kommission für Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz zur inklusiven Bildung in Katholischen Schulen:

 

Empfehlung der Kommission für Erziehung und Schule zur inklusiven Bildung in Katholischen Schulen

 

Oder auf der Themenseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:

 

"einfach teilhaben"

Kontakt:

Antonius von Padua Schule

Carl-Schurz-Straße 22

36041 Fulda

Tel.: 0661-240912

http://www.antonius-fulda.de