Online-Lernen, Stress in der Familie, keine Verabredungen mit Freunden – die starken Einschränkungen sozialer Kontakte verändern den Alltag von Kindern und Jugendlichen grundlegend. Um trotz der bundesweiten Schulschließungen ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Schülerinnen und Schüler zu haben, bietet das Seelsorge-Team des Gymnasiums Marienstatt nun Kontakt und Hilfe per Mail, Chat oder Telefon an. „Die Situation ändert sich ja nicht, nur weil die Schüler jetzt zu Hause sind. Gesprächsbedarf besteht weiterhin“, erklärt Christian Pulfrich die Idee. Er ist einer von insgesamt fünf Schulseelsorgerinnen und Schulseelsorger an der katholischen Schule in Trägerschaft der Zisterzienserabtei Marienstatt. Alle sind evangelische oder katholische Religionslehrer und werden von einer Schulsozialarbeiterin der Caritas sowie weiteren Lehrkräften mit speziellen Beratungsthemen unterstützt. Dass alle fünf ausgebildeten Schulseelsorger auch Religionslehrer sind, sei aber keine Voraussetzung für ihre Aufgabe, betont Pulfrich.
Technische Vorraussetzungen für "Schulseelsorge online"
Die technischen Voraussetzungen für die „Schulseelsorge online“ wurden im vergangenen Sommer mit einer verstärkten Umsetzung der Digitalisierung an der Schule gelegt. Seitdem haben alle Lehrer und Schüler eine offizielle Email-Adresse. Außerdem arbeitet die Schulgemeinschaft mit dem Online-Lernsystem Moodle, das auch einen Chat beinhaltet. „Die Schülerinnen und Schüler wissen also genau, wie sie uns erreichen können“, erklärt Religionslehrer Christian Pulfrich. Zudem weisen die Schulseelsorger auf der Homepage des Gymnasiums darauf hin, dass sie weiterhin für Gespräche zur Verfügung stehen.
© Christian Pulfrich
Zusätzlich zur direkten Online-Seelsorge bieten Pulfrich und seine Kolleginnen und Kollegen digitale Schulandachten auf der Website der Schule an. Das spirituelle Format für Schüler und Eltern ist auf die aktuelle Situation abgestimmt und wird von der Redaktion des religionspädagogischen Portals der Evangelischen Kirche in Deutschland, rpi-virtuell, erarbeitet und fortlaufend ergänzt. „Dazu haben wir schon sehr viele positive Rückmeldungen von Schülern und Lehrern bekommen, dass das Angebot genutzt wird“, berichtet der Pädagoge. Aufgrund der großen Nachfrage will das Schulseelsorge-Team dieses Angebot ausweiten. „Derzeit überlegen die Zisterzienser zum Beispiel, ihre Chorgebete zu streamen“, erzählt Pulfrich. Zu den regelmäßigen Angeboten der Schulseelsorge am Gymnasium Marienstatt gehört auch eine jährliche Fahrt zur Gemeinschaft von Taizé nach Frankreich. Die Brüder übertragen derzeit ihr Abendgebet live im Internet – ein weiteres spirituelles Angebot, auf das die Schulseelsorger verweisen möchten. Ergänzend haben die Lehrerinnen und Lehrer ein Info-Blatt mit Tipps für das Lernen zu Hause veröffentlicht.
Schule als Lern- und Lebensort
Ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der gesamten Schulgemeinschaft zu haben, ist für die Mitglieder des Seelsorge-Teams „die praktische Umsetzung der Botschaft Jesu in unsere Zeit“, wie es in einem Bericht auf der Schulwebsite heißt. Da Schule heute nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch des Lebens sei, in dem Kinder und Jugendliche Erfahrungen machen und Persönlichkeiten ausbilden, sei es wichtig, sie auch in ihren Hoffnungen und Ängsten zu begleiten.
Schulseelsorgerin Alexandra Cäsar bringt den "Wegweiser Hilfe" in der Schule an - © Christian Pulfrich
Damit die Mitglieder der Schulgemeinschaft für jede Fragestellung und Sorge den richtigen Ansprechpartner finden, gibt es den sogenannten „Wegweiser Hilfe“. Auf dem Plakat ist das umfangreiche Beratungsangebot der Schule in verschiedene Problemfelder unterteilt. Zu jedem Feld sind Ich-Botschaften formuliert, sodass Eltern und Schüler gezielt ihre Frage- oder Problemstellung finden können. Der Wegweiser hängt an zentralen Orten der Schule und ist im geschützten Login-Bereich der Schulhomepage zu finden. „Wir sind keine Ärzte, Psychotherapeuten und keine Familien-Experten. Unsere Maxime: Wir können zuhören, helfen, begleiten, Erstkontakt sein und Kontakte herstellen“, erklären die Schulseelsorger. Für die kommenden Wochen rechnen sie mit vermehrten Anfragen. Auch wenn die Schule geschlossen ist, wollen Pulfrich und seine Kolleginnen und Kollegen ansprechbar sein und helfen – per Telefon, Mail und Chat.
Von Maike Müller