Wenn es etwas gibt, das auf dem Schreibtisch von Benno Kretschmer-Stöhr nicht fehlen darf, dann sind es Kekse. Damit führt der 37-Jährige eine Tradition fort, die auch schon die Schulseelsorger am St.-Benno-Gymnasium in Dresden vor ihm befolgten. „Oft schauen Schüler bei mir ins Büro und fragen nach einem Keks. Ich sage dann immer: Klar. Aber nur, wenn du mir im Gegenzug etwas von dir erzählst“, berichtet Kretschmer-Stöhr und lacht. Als Schüler hat er selbst die Katholische Schule in Trägerschaft des Bistums Dresden-Meißen besucht.
Schule im Ausnahmezustand
Von Alltag ist am St.-Benno-Gymnasium, wie an vielen anderen Schulen in Deutschland auch, gerade allerdings nicht viel zu spüren. Zwar sind die Schulen im Gegensatz zur vergangenen Adventszeit nicht geschossen, aber Abstandsregelungen und die anhaltende Gefahr durch das Virus dämpfen die Vorfreude auf Weihnachten vielerorts. Wie lassen sich Kontakt, Nähe und kleine Stärkungen – geistig oder ganz physisch in Form von Keksen – in einem Alltag im Ausnahmezustand umsetzen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Benno Kretschmer-Stöhr bereits seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020. „Mir ist es wichtig, Erreichbarkeit zu signalisieren und Schülerinnen und Schülern, die gerade nicht in die Schule kommen können, zu sagen: Wir sehen euch. Ihr fehlt und ihr seid nicht vergessen.“, erklärt der Theologe. Aus diesen Überlegungen heraus hatte er im Winter vergangenen Jahres zwei schulpastorale Online-Angebote entwickelt, die auf niederschwellige Weise religiöse Impulse in der Adventszeit setzen: Der Podcast „Unterwegs mit Keks“ und interaktive Jugendgottesdienste per Live-Stream.
Online-Andachten für Schüler, Lehrer und Eltern
In diesem Winter bietet der Pädagoge, der seit 2018 an der Katholischen Schule arbeitet und neben seiner Tätigkeit als Schulseelsorger auch die Fächer Katholische Religion und Gemeinschaftskunde unterrichtet, zwei Impulse für verschiedene Zielgruppen an. Unter dem Titel „adventlich(t)“ sind interessierte Oberstufenschülerinnen und -schüler sowie Erwachsene an den vier Adventssonntagen zu einer Online-Andacht eingeladen. Unterstützt wird der Schulseelsorger dabei von P. Jan Korditschke SJ vom Haus HohenEichen, dem Exerzitienhaus der Jesuiten in Dresden. Der Link zum Video ist jeweils am Samstag ab 18 Uhr auf www.adventlicht.de zu finden. Dort ist auch ein virtueller Gebetsraum eingerichtet. Das zweite Impuls-Angebot „Mein Advent“ richtet sich an Eltern, Lehrkräfte und Erwachsene, die Verantwortung tragen. Jeweils mittwochs von 21.30 bis 22 Uhr findet online eine Andacht zu Liedern der, mittlerweile aufgelösten, A-capella-Band „Wise Guys“ statt. Die Uhrzeit wurde bewusst spät gewählt, damit das Angebot als Abschluss in den Alltag integriert werden kann.
Video-Adventskalender und Quarantäne-Boxen
Zusätzlich bietet Kretschmer-Stöhr einen Video-Adventskalender unter dem Motto „LichtKlick“ an. „Ein Licht, was immer leuchtet, auch wenn alles andere aus ist, ist das Licht des Notausgangs“, erzählt der Schulseelsorger im Clip hinter dem ersten digitalen Türchen. Er ruft dazu auf, im Advent zu überlegen, welche Menschen im eigenen Leben so etwas wie Notausgänge seinen, die ihre Türen öffnen, wenn es uns schlecht geht. Die täglichen Video-Impulse sind maximal eine Minute lang und werden über eine eigene Website und den Instagram-Kanal der Schule veröffentlicht.
Aber auch ein analoges Angebot hat der Schulseelsorger im Gepäck. Wer Schülerinnen und Schülern, die sich in Quarantäne befinden, einen Gruß schicken möchte, kann das mit einem Care-Paket aus dem Schulkiosk machen. Die „Quarantäne-Boxen“ enthalten faire Produkte, kosten 15 Euro und können direkt vor die Haustür des Beschenkten geliefert oder per Post zugestellt werden. Pro Box spendet der Kiosk 5 Euro an ein Hilfsprojekt.
Schulgemeinschaft digital
Wenn es um Leben und Tod geht und um Toilettenpapier und Nudeln, braucht es dann auch noch das Religiöse? Auch mit Blick auf die Diaspora-Situation des Bistums Dresden-Meißen versuche er, bei seinen Angeboten einen Mittelweg zu finden, erklärt Kretschmer-Stöhr. Zudem wolle er einen Gegenakzent zu den Beschränkungen durch die Ausbreitung des Virus setzen. „Das bedeutet nicht, Corona auf die leichte Schulter zu nehmen. Aber ich sehe es als meine Aufgabe, das Drumherum zu bespielen. Denn meist sind wir in unseren Bemühungen ja sehr auf den Unterricht fokussiert“, erklärt der Seelsorger.
Taizé-Gebete per Stream aus dem Wohnzimmer
Erste Erfahrungen mit digitalen Seelsorgeangeboten hat der technikaffine Pädagoge bereits im ersten Lockdown gemacht, als er Taizé-Gebete aus seinem Wohnzimmer heraus gestreamt hat. Zudem habe ihn seine Arbeit als Diözesanjugendreferent für das Bistum Dresden-Meißen von 2011 bis 2017 gut auf die schnelle und unkomplizierte Umsetzung seiner digitalen Ideen vorbereitet, erzählt Kretschmer-Stöhr. „Die große Frage ist ja: Wie kann ich eine nicht sichtbare Gemeinschaft abbilden? Wie schaffe ich es, dass die Leute merken, dass sie zwar einzeln vor ihren Bildschirmen sitzen, aber dennoch nicht allein sind? Genau das versuche ich über Fragen an die Teilnehmer herzustellen“, erklärt Kretschmer-Stöhr. Dafür kommen dann auch schon mal interaktive Präsentationstools wie Mentimeter oder Wooclap zum Einsatz.
Digitale Erinnerung: „Ich bin da und ansprechbar“
Insgesamt ist Benno Kretschmer-Stöhr zufrieden damit, wie seine Angebote angenommen werden. Die Klickzahlen stehen für ihn aber nicht im Vordergrund. „Diese Formate sind als virtuelle Fenster in die Schule gedacht. Es bringt nichts, vor Ort schöne Dinge zu machen, wenn die eigentlich traurigen Menschen zu Hause in Quarantäne sitzen. Es ist eine Erinnerung an alle: Ich bin da und ansprechbar“, so der Schulseelsorger. Seine Online-Formate möchte er weiterführen, auch über den Advent hinaus.
Von Maike Müller
Hinweis: Dieser Artikel ist eine aktualisierte Version eines bereits am 11.12.2020 erschienenen Berichts. Es wurden u.a. aktuelle Projekte des St.-Benno-Gymnasiums hinzugefügt.