Wenn es etwas gibt, das auf dem Schreibtisch von Benno Kretschmer-Stöhr nicht fehlen darf, dann sind es Kekse. Damit führt der 36-Jährige eine Tradition fort, die auch schon die Schulseelsorger am St.-Benno-Gymnasium in Dresden vor ihm befolgten. „Oft schauen Schüler bei mir ins Büro und fragen nach einem Keks. Ich sage dann immer: Klar. Aber nur, wenn du mir im Gegenzug etwas von dir erzählst“, berichtet Kretschmer-Stöhr und lacht. Als Schüler hat er selbst die Katholische Schule in Trägerschaft des Bistums Dresden-Meißen besucht.
Schule im Ausnahmezustand
Von Alltag ist am St.-Benno-Gymnasium, wie an vielen anderen Schulen in Deutschland auch, gerade allerdings nicht viel zu spüren. Sachsen bereitet sich als vom Corona-Virus stark betroffenes Bundesland derzeit auf den nächsten harten Lockdown vor. Ab Montag werden dann auch Schulen und Kitas erneut schließen. Wie lassen sich Kontakt, Nähe und kleine Stärkungen – geistig oder ganz physisch in Form von Keksen – in einem Alltag im Ausnahmezustand umsetzen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Benno Kretschmer-Stöhr bereits seit dem ersten Lockdown im Frühjahr. „Mir ist es wichtig, Erreichbarkeit zu signalisieren und den Schülerinnen und Schülern, die gerade nicht in die Schule kommen können, zu sagen: Wir sehen euch. Ihr fehlt und ihr seid nicht vergessen.“, erklärt der Theologe. Aus diesen Überlegungen heraus hat er zwei schulpastorale Online-Angebote entwickelt, die auf niederschwellige Weise religiöse Impulse in der Adventszeit setzen.
Podcast: Seelsorgeangebot für die Hosentasche
Eines davon ist der Podcast „Unterwegs mit Keks“. In unregelmäßigen Abständen sendet Kretschmer-Stöhr mehrmals in der Woche kurze Beiträge mit spirituellen Impulsen, Liedern und immer auch einem netten Gruß aus der Schule. Zu finden ist das Audio-Angebot auf den gängigen Streaming-Portalen. Ein festes Konzept verfolgt der ausgebildete Pädagoge, der seit 2018 an der Katholischen Schule arbeitet und neben seiner Tätigkeit als Schulseelsorger auch die Fächer Katholische Religion und Gemeinschaftskunde unterrichtet, bei der Themenwahl nicht. „Wir leben ja in der Schule im Moment von Tag zu Tag. Da kann ich Konzepte schreiben, wie ich will. Ich versuche herauszufinden, was gerade gebraucht wird“, erklärt Kretschmer-Stöhr.
Schulgemeinschaft digital
Wenn es um Leben und Tod geht und um Toilettenpapier und Nudeln, braucht es dann auch noch das Religiöse? Auch mit Blick auf die Diaspora-Situation des Bistums Dresden-Meißen versuche er, bei seinen Angeboten einen Mittelweg zu finden. Zudem wolle er einen Gegenakzent zu den Beschränkungen durch die Ausbreitung des Virus setzen. „Das bedeutet nicht, Corona auf die leichte Schulter zu nehmen. Aber ich sehe es als meine Aufgabe, das Drumherum zu bespielen. Denn meist sind wir in unseren Bemühungen ja sehr auf den Unterricht fokussiert“, erklärt der Seelsorger.
Taizé-Gebete per Stream aus dem Wohnzimmer
Erste Erfahrungen mit digitalen Seelsorgeangeboten hat der technikaffine Pädagoge bereits im ersten Lockdown gemacht, als er Taizé-Gebete aus seinem Wohnzimmer heraus gestreamt hat. Zudem habe ihn seine Arbeit als Diözesanjugendreferent für das Bistum Dresden-Meißen von 2011 bis 2017 gut auf die schnelle und unkomplizierte Umsetzung seiner digitalen Ideen vorbereitet, erzählt Kretschmer-Stöhr. Daran knüpft auch sein zweites Seelsorgeangebot an, das er in dieser besonderen Adventszeit der ganzen Schulgemeinschaft anbietet. An jedem der vier Adventssonntage lädt er jeweils um 19.19 Uhr alle Interessierten ein, gemeinsam interaktive Jugendgottesdienste per Live-Stream zu feiern.
Interaktive Online-Jugendgottesdienste
Die Wortgottesdienste sind immer eine Mischung aus vorproduzierten Liedaufnahmen, live eingesprochenen Texten und interaktiven Austauschformaten. „Die große Frage ist ja: Wie kann ich eine nicht sichtbare Gemeinschaft abbilden? Wie schaffe ich es, dass die Leute merken, dass sie zwar einzeln vor ihren Bildschirmen sitzen, aber dennoch nicht allein sind? Genau das versuche ich über Fragen an die Teilnehmer herzustellen“, erklärt Kretschmer-Stöhr. Die Antworten werden dann über interaktive Präsentationstools wie Mentimeter oder Wooclap in den Stream eingebunden. Über rechtliche Fragen der Musiknutzung muss sich der Religionspädagoge keine Sorgen machen. Diese sind für Gottesdienste durch einen Pauschalvertrag des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) mit den betreffenden Verwertungsgesellschaften abgedeckt. Anders sieht es für den Podcast aus. Dafür hat er die Nutzung von Taizé-Liedern mit der ökumenischen Gemeinschaft selbst geklärt.
Digitale Erinnerung: „Ich bin da und ansprechbar“
Insgesamt ist Benno Kretschmer-Stöhr zufrieden damit, wie seine Angebote angenommen werden. Die Klickzahlen stehen für ihn aber nicht im Vordergrund. „Diese Formate sind als virtuelle Fenster in die Schule gedacht. Es bringt nichts, vor Ort schöne Dinge zu machen, wenn die eigentlich traurigen Menschen zu Hause in Quarantäne sitzen. Es ist eine Erinnerung an alle: Ich bin da und ansprechbar“, so der Schulseelsorger. Seine Online-Formate möchte er weiterführen, auch über den Advent hinaus.
Von Maike Müller