„Die Willkommensklassen sind die heterogensten Unterrichtsgruppen, die es je gegeben hat“, findet Klassenlehrerin Aniko Ramshorn-Bircsak. Und das bringt eine Menge Herausforderungen mit sich, beginnend beim Alter der Kinder. „Im vergangenen Jahr hatte ich in meiner Klasse eine Altersspanne von sieben bis zwölf Jahren“, erklärt die Pädagogin. Hinzu kommen Lernschwierigkeiten, die unterschiedlichen Muttersprachen und sozialen Hintergründe. Trotz der großen Unterschiede in ihrer Klasse seien viele Kinder aber sehr motiviert und wollten Deutsch lernen.
Willkommensklassen in Berlin
Seit November 2015 gibt es die internationale Vorbereitungsklasse für Flüchtlings- und Migrantenkinder an der Sankt Franziskus-Schule, einer katholischen Grund- und Oberschule mit rund 1.200 Schülern in Berlin-Schöneberg. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gibt es rund 530 dieser Willkommensklassen in den Berliner Schulen. Sie sollen Flüchtlingskinder möglichst schnell in das deutsche Bildungssystem einbinden. Neben den staatlichen Schulen richten auch freie Träger diese besonderen Klassen ein. An rund sieben Schulen des Erzbistums Berlin in der Hauptstadt gibt es Willkommensklassen. Auch die Evangelische Schulstiftung in der EKBO hat Willkommensklassen an sechs Schulen in Berlin eingerichtet.
Ein Vorteil von Schulen mit kirchlichem Träger: Oft haben sie eine enge Anbindung an Gemeinden – so auch die Sankt Franziskus Grund- und Oberschule. Dort lernen die Kinder aus Afghanistan, Albanien, Bosnien, Sizilien, Syrien und dem Iran in den benachbarten Gemeinderäumen Deutsch. Sobald die Sprachkenntnisse ausreichen, sollen die Kinder in einigen Fächern auch am regulären Grundschulunterricht teilnehmen.
Schule als Herausforderung
Vor der Arbeit in der Willkommensklasse unterrichtete Deutschlehrerin Ramshorn-Bircsak in der Erwachsenenbildung und gab Geflüchteten Sprachunterricht. Das helfe ihr auch für die Arbeit mit den Kindern, so die Lehrerin. Die große Herausforderung sei, die Kinder zu motivieren. „Sie wurden in das Land mitgenommen und den Unterricht haben sie sich auch nicht ausgesucht, sie sind – wie alle anderen Kinder – verpflichtet, in die Schule zu gehen“, erklärt Ramshorn-Bircsak. Der Schlüssel liege letztendlich in der Begegnung mit sich und den anderen.
Fluchterlebnisse und Glücksmomente
Für viele Schüler in der Klasse gehören dazu auch Fluchterlebnisse. Diese werden zwar im Unterricht nicht thematisiert, tauchen aber in Erzählungen der Kinder manchmal auf. „Ich wollte an einem Tag über unterschiedliche Fortbewegungsmöglichkeiten in Berlin sprechen. So wurde neben Bus, S-Bahn, U-Bahn und Flugzeug auch vom Schlauchboot erzählt. Drei Kinder in der Klasse sind mit ihrer Familie in einem kleinen Kinderschlauchboot von der Türkei nach Griechenland gekommen“, erzählt Aniko Ramshorn-Bircsak.
Doch neben bedrückenden Momenten erinnert sich die Klassenlehrerin auch an viele schöne. Zum Beispiel, wenn sich die Kinder gegenseitig Gutes zum Geburtstag wünschen. „Je nach Sprachstand wird der Gedanke auf Deutsch oder in der Muttersprache ausgesprochen. Dabei unterstützen sich die Schüler gegenseitig und übersetzten“, erzählt die Lehrerin. Momente der Ruhe und Achtsamkeit neben dem Stimmen- und Sprachgewirr im Schulalltag.
Unterstützung im Schulalltag
Unterstützung sollen die Kinder auch von der Schulgemeinschaft bekommen. Es gibt Patenklassen und die Willkommensschüler nehmen an den Schulveranstaltungen teil. Auch auf dem Pausenhof lernen sich die Kinder kennen. Die Schule sei für viele der Mädchen und Jungen das zu Hause, nicht die Flüchtlingsunterkunft, so Konrektorin für die Grundschule Claudia Reuer *. Zwei syrisch-orthodoxe Jungen nähmen bereits komplett am Regelunterricht einer fünften Klasse teil. Dank einer Regelung des Schuldezernates konnten auch einige muslimische Kinder wechseln, berichtet Reuer. Religion steht für alle Kinder auf dem Stundenplan.

© Claudia Reuer
Von Maike Müller
* Anm. der Redaktion: Claudia Reuer ist inzwischen Schulleiterin an einer anderen Katholischen Schule in Berlin