Dialog in der Schule

  • Gemeinschaft in Vielfalt | 02.06.2023

Ein Austausch auf Augenhöhe - das ist die Idee der Dialogschulen im Bistum Magdeburg. Jeweils ein Drittel katholische, protestantische und konfessionell ungebundene Schülerinnen und Schüler drücken dort gemeinsam die Schulbank. Diese Einrichtungen wollen vor allem gute Schule machen, aber in der katholischen Diaspora auch "Kirche an einem anderen Ort" sein. Das Elisabeth-Gymnasium ist eine von drei Dialogschulen im Bistum.

 

Unzählige Fahrräder, ein großer Schulhof und Jungen und Mädchen, die zum Unterricht eilen. Von außen betrachtet, sieht die Elisabeth-Schule in Halle an der Saale aus, wie jede andere auch. Das Besondere ist die Zusammensetzung ihrer Schülerschaft. Obwohl das Gymnasium von der katholischen Edith-Stein-Schulstiftung des Bistums Magdeburg getragen wird, ist es für Katholiken, Protestanten und Konfessionslose gleichermaßen offen - und das ganz bewusst.

Die säkularisierte Welt im Klassenzimmer

"Im Elisabeth-Gymnasium haben wir uns sozusagen die stark säkularisierte und religiös indifferente Wirklichkeit unserer Gesellschaft ins Schulhaus geholt", erklärt Schulleiter Hans-Michael Mingenbach. Zum einen sind Katholiken im Bistum Magdeburg in Sachsen-Anhalt mit knapp drei Prozent deutlich in der Minderheit. Zum anderen sei der Standort der Schule im Hallenser Süden geprägt von einfachen Verhältnissen und die Schule lege Wert darauf, die Tür für die Kinder aus den benachbarten Quartieren offen zu haben, erklärt Mingenbach. "Andersherum, wir müssen dem bürgerlichen Halle zugleich mitteilen, warum es sich lohnt, mit Straßenbahn oder Rad in den Süden zu fahren", erklärt der Schulleiter.

Von Beginn an wurde das Gymnasium als eine Schule für alle konzipiert, schreibt Schwester Helene Schöpper in einem Text über die junge Geschichte der Schule. Die Ordensfrau war die erste Schulleiterin und nahm 1992, drei Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, mit rund 350 Kindern und Jugendlichen den Schulbetrieb auf. Die Lehrkräfte kamen aus den alten und neuen Bundesländern. Das ist bis heute so geblieben, wie Schulleiter Mingenbach berichtet. Er selbst stammt aus Aachen und leitet die Schule seit 2010.

Schwerpunkt soziale Bildung

Mingenbach und sein Kollegium wollen vor allem eines: gute Schule machen für die Menschen in Halle. Neben Gymnasien mit Fokus auf Musik, Sprache oder Naturwissenschaften legt die Elisabeth-Schule ihren Schwerpunkt auf soziale Bildung. Denn das katholische Gymnasium soll mehr sein als ein Betrieb zur fachlichen Wissensvermittlung. Die Umsetzung dieses Credos zeigt sich an Sozialpraktika oder regelmäßigen Projekten. Dort lernen die Schüler eigenverantwortliches Handeln und erleben Haltung. Im Religions- und Ethikunterricht, der parallel angeboten wird, begegnen die Schüler ganz praktisch dem Christentum in der Stadt oder erarbeiten kindgerecht christliche Grundbegriffe.

Soziale Kompetenz und ein fürsorglicher Umgang miteinander - der Stellenwert spiegelt sich auch in der Wahl der Namenspatronin wider. Die Heilige Elisabeth von Thüringen ist für ihren Dienst an Bedürftigen und Schwachen bekannt. Ihrem Beispiel folgen die Schüler einmal im Jahr selbst. Am "Elisabeth-Tag" engagieren sie sich nach einem Gottesdienst an verschiedenen Orten der Stadt. Die sozialen Aktionen reichen vom Spielevormittag im Altenheim, Päckchen packen für die Flüchtlingshilfe bis zum Schrubben der Straßenbahn.

 

 

© Siebert / Elisabeth-Gymnasium

 

Neuorientierung nach der Corona-Pandemie

Im kommenden Herbst kann der Elisabeth-Tag erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie wieder in gewohnter Form stattfinden. Vorher war dies aufgrund der Kontaktbeschränkungen und der Sicherheitsvorkehrungen in den zu besuchenden Einrichtungen nicht möglich, wie Schulleiter Hans-Michael Mingenbach berichtet. Die Frage, wie man altgeliebte Momente und Angebote nach den Jahren im Ausnahmezustand wieder mit Leben füllen könne, sei nach dem Stopp durch das Virus eine große Herausforderung für ihn und sein Kollegium gewesen. „Schülerinnen und Schüler machten zum Beispiel die Erfahrung, dass Methoden, die sie sicher konnten, nicht mehr einfach abrufbar waren. Unsere Aufgabe ist es, diese Kompetenzen wieder hervorzulocken. Das wird uns noch lange beschäftigen“, so der erfahrende Pädagoge und ergänzt: „Auch uns Lehrerinnen und Lehrer haben die Pandemie-Jahre viel Kraft gekostet.“

Dennoch ist in der Zwischenzeit auch Neues entstanden am Elisabeth-Gymnasium. Der Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019 war auch für die Schulgemeinschaft des Gymnasiums in kirchlicher Trägerschaft ein einschneidender Moment. Aus der Frage innerhalb des Kollegiums, wie dieses Ereignis pädagogisch aufgefangen werden könne, ist eine Partnerschaft mit einer Schule in Haifa entstanden. Im Januar war eine Gruppe des Elisabeth-Gymnasiums zu Besuch in Israel. Zwei Monate später folgte der Gegenbesuch.

Digitalisierung am Elisabeth-Gymnasium: Mehr als Tablets und WLAN

Über konkrete Projekte hinaus ist die Digitalisierung des Bildungsbereichs ein großes Thema für das pädagogische Team der Dialog-Schule. Die wichtigste Frage dabei laute, was der technische Fortschritt für die Lernkultur, die Leistungsbewertung und auch die Schulkultur bedeute. „Wir schicken Kundschafter an andere Schulen aus, um zu schauen, wie die Dinge dort gelöst werden und können uns im besten Falle ein bisschen was abschauen – auch wenn jede Schule natürlich einen individuellen Weg finden muss, mit dem Thema Digitalisierung umzugehen“, erklärt der Schulleiter. Andersrum habe auch das Elisabeth-Gymnasium bereits Besucher bei sich willkommen geheißen.

Wenn Mingenbach über Digitalisierung an seiner Schule spricht, hat er vor allem die Schülerinnen und Schüler im Blick. „Wir schicken Jugendliche in eine Wirklichkeit hinaus, die sich auch online abspielt. Dabei müssen wir sie begleiten. Denn in dieser Wirklichkeit gibt es leider auch Dinge wie Cyber-Mobbing in Klassenchats, gefakte Bilder und manches mehr“, so der Religionspädagoge.  Auf die technische Ausstattung als ersten Schritt der Digitalisierung müsse Medienbildung und -erziehung folgen.

"Katholisches Profil" im Schulalltag

Der respektvolle Dialog unter den Bekenntnissen und das soziale Miteinander sollen online und offline einen Raum im Schulalltag finden. "Im Mittelpunkt steht die Persönlichkeit des Kindes. Wir passen auf, dass niemandem etwas passiert", erklärt Mingenbach. So konnte schon mehrmals die gesamte Schule in die nächste Klasse versetzt werden. Nicht, weil Noten verschenkt würden, sondern weil die Lehrer achtsam seien für Probleme und früh genug förderten. "Das ist eine besondere Duftmarke einer werteorientierten Schule. Wir sind achtsam füreinander", fasst der Schulleiter zusammen. Ein Miteinander, das auch nicht-konfessionelle Eltern überzeugt.

 

Von Maike Müller

 

* Hinweis: Dieser Text ist eine grundlegend aktualisierte Version eines Artikels aus dem Jahr 2017.

 

Kontakt:

Elisabeth-Gymnasium Halle

Murmansker Str. 14

06130 Halle/ Saale

Tel.: 0345/1201230

https://www.ess-elisabeth.de/