Die beiden Autoren verwiesen auf das ungebrochene Interesse an kirchlich geführten Kitas und Bildungseinrichtungen. Schulen in eigener Trägerschaft seien „bis heute der Exportschlager der katholischen Kirche schlechthin“. Dass derzeit vielerorts Katholische Schulen schließen, führen die Autoren neben finanziellen Überlegungen auch auf eine Veränderung im Verhältnis von Kirche und Staat diesbezüglich zurück. "Die Motivation schwindet, dem Staat als starker zivilgesellschaftlicher Partner mit eigenem Engagement bei der Bildung zur Seite zu stehen. Das kirchliche Leben zieht sich immer mehr auf die Gemeinde zurück." Zuletzt hatte etwa das Bistum Eichstätt erklärt, aus finanziellen Gründen seine fünf allgemeinbildenden Schulen aufgeben zu müssen.
Antworten auf spirituelle Fragen
Einen Vorteil von Katholischen Schulen sehen Mertes und Thierse darin, dass sie theologische Bildung in ihr pädagogisches Konzept integrierten. Jugendliche, die auf der Suche nach Religion oder Spiritualität seien, könnten an staatlichen Einrichtungen oft keine Antworten finden. "Je mehr ihre Fragen vom Bildungsbetrieb als irrelevant abgetan werden, umso mehr liefert der Betrieb die Kinder und Jugendlichen denjenigen aus, die sie mit den einfachen Antworten in die religiöse Unmündigkeit locken", schreiben die Autoren. "Ohne kirchliche Schulen ginge der säkularen Gesellschaft ein Partner verloren, der Erfahrungen mit theologischer Bildung hat und dazu über nachvollziehbare Qualitätskriterien verfügt." Auch hätten sich die Katholischen Schulen längst der konfessions- und religionspluralen Nachfrage geöffnet, sowie der Nachfrage religiös Suchender.
Schlüsselsituationen des Lebens gestalten
Zudem verfügten Katholische Schulen nach Angaben der Autoren über einen „reichen Fundus an Erfahrungen, wie eine Gemeinschaft Schlüsselsituationen des Lebens gemeinsam gestalten kann: Riten der Stille, wenn alle vor dem Größeren verstummen, das sich ereignet hat.“ So zum Beispiel bei Tod oder schwerer Erkrankung eines Mitschülers oder einer Lehrerin.
Aufarbeitung von Missbrauchsfällen
Mertes und Thierse betonen darüber hinaus einen Kompetenzgewinn Katholischer Schulen bei Intervention, Prävention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt. Diese Schulen würden daher als sicherer Ort wahrgenommen. „Katholische Schulen stellen einen öffentlich erkennbaren Anspruch an sich selbst, an dem sie sich messen lassen", schreiben die Autoren weiter. Die notwendige Aufarbeitung von Missbrauchsfällen an katholischen Einrichtungen sei deswegen von großer Bedeutung und habe zu einer Profilschärfung geführt. Staatliche Schulen würden zu diesem Thema bis heute eher schweigen. Klaus Mertes trug ab 2010 selbst maßgeblich zur Aufdeckung von Missbrauchsfällen an Schulen bei. Der Jesuit war von 2000 bis 2011 Rektor des Jesuitengymnasiums Canisius-Kolleg in Berlin.
(mam)