Didacta 2025: Uwe Hauser zieht Bilanz

  • Bildungsauftrag der Kirche | 27.02.2025

Fünf Tage Beratung, etwa 300 Arbeitsstunden Information, Diskussion und Austausch am Stand der Kirchen – die didacta 2025 in Stuttgart ist beendet. Dr. Uwe Hauser, Direktor des Religionspädagogisches Institut der Evangelischen Landeskirche in Baden (EKIBA), Mitorganisator und Teil des vierköpfigen Leitungsteams, zieht Bilanz: Was war los am Stand der Kirchen?

Herr Dr. Hauser, das Motto am Stand der Kirchen in diesem Jahr war „Wenn Hoffnung Schule macht“. Wie kam dieses zentrale Thema zustande?

Die Verantwortung für die Organisation des Kirchenstandes auf der didacta, für das zentrale Thema und das Programm, liegt bei den vier großen Kirchen in Baden-Württemberg, die es an ihre Institute delegiert haben. Das sind in diesem Jahr Stefan Hermann vom Pädagogisch-Theologischen Zentrum Stuttgart, Sabine Mirbach vom Institut für Religionspädagogik in Freiburg, Alexander Kübler von der Diözese Rottenburg-Stuttgart und ich selbst als Direktor des Religionspädagogischen Instituts der evangelischen Landeskirche in Baden. In dieser Konstellation nehmen wir uns immer auch Daniel Schneider als Moderator und Co-Organisator mit ins Boot. Früher fand die didacta im Wechsel in Köln, Stuttgart und Hannover statt. Da hatten wir immer drei Jahre Vorbereitungszeit bis die Reihe wieder an uns war. Heute ist das anders: Jetzt findet die Messe nur noch im Wechsel zwischen Köln und Stuttgart statt, also alle zwei Jahre. Und das bedeutet für uns: Nach der didacta ist vor der didacta. Doch wie kam es jetzt zu dem Thema? In der Regel evaluieren wir die gemachten Messeerfahrungen nach der didacta. Dann treffen wir uns etwa alle vier bis sechs Wochen in der Vorbereitung für die kommende Bildungsmesse zu Arbeitssitzungen und klären das Thema für den Stand der Kirchen. In diesem Jahr fiel die Wahl auf den Leitgedanken „Wenn Hoffnung Schule macht“, weil die Themen Zukunft und Hoffnung auch bei den Religionspädagoginnen und -pädagogen im Land gemeinsame Jahresschwerpunkte sind. Hoffnung ist ein Thema unserer Zeit, und wir versuchen, mit den Motti immer auf der Höhe der Zeit zu sein.

Zur Person:

Pfr. Dr. Uwe Hauser, der Direktor des religionspädagogischen Instituts der evangelischen Landeskirche in Baden (EKIBA), ist seit Jahren im Gremium des vierköpfigen Leitungsteams für die Organisation und Durchführung des Stands der Kirchen auf der didacta in Stuttgart.

Sie haben an den fünf Messetagen ein umfangreiches Programm an Diskussionen, Vorträgen und Darbietungen erarbeitet. Wonach wählen Sie Ihre Formate aus?

Wenn das zentrale Motto festgelegt ist, entwerfen wir das gemeinsame Programm. Dies geschieht in unterschiedlichen Formaten. Zuerst haben wir das dialogische Format, ein Talkformat auf dem roten Sofa. Dort finden Gespräche und Interviews, geführt von Kirchenstand-Moderator Daniel Schneider, mit hochkarätigen Persönlichkeiten statt. In diesem Jahr hatten wir zum Beispiel Herrn Dr. Michael Blume, Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben, Prof. Reinhold Boschki von der Uni Tübingen und Herrn Prof. Uli Jäger vom Institut für Politikwissenschaften der Universität Tübingen eingeladen.

 

Kirchenstandmoderator Daniel Schneider, Bildungswissenschaftler Michael Blume und der Theologe Reinhold Boschki im Gespräch über die Frage: "Wie hilft religiöse Bildung gegen Antisemitismus?" auf dem roten Sofa am Stand der Kirchen (v.li.n.re.). Foto: Maike Müller

Ein weiteres Programmformat ist das Good Practice-Format. Dieser Stil ist erst in den letzten Jahren dazugekommen, weil wir das Programm für Schulen und andere Bildungseinrichtungen geöffnet haben. In Good Practice werden meist von Jugendlichen Schulprojekte von Stiftungsschulen oder Schulen in kirchlicher Trägerschaft vorgestellt – denn Gutes muss weitergesagt werden. Wir möchten auch dieser pädagogischen Arbeit auf dem Kirchenstand einen Platz einräumen. Im dritten großen Block Nachgefragt lassen wir Akteure an Schulen und Bildungseinrichtungen zu Wort kommen. Sie berichten, wie ihre tägliche Arbeit aussieht, welchen Herausforderungen sie sich in Bezug auf ein bestimmtes Thema im Arbeitsalltag stellen müssen und wie sie diesen begegnen. Zum Beispiel war in diesem Jahr die Schuldirektorin, Podcasterin und Bestsellerautorin Florence Brokowski-Shekete zu Gast. In diesen Formaten decken wir alle relevanten Bildungsbereiche ab – auch die Bereiche aus Kita und Grundschule. In den letzten Jahren hat die Präsenz von pädagogischen Fachkräften aus Kindergärten massiv zugenommen. Ich bin schon seit 2012 in die Planung des Kirchenstandes involviert. Am Anfang gab es vielleicht 10 bis 15 Prozent Erzieherinnen und Erzieher auf der didacta. Heute sind es über 40 Prozent. Darauf muss man sich als Kirchenstand einstellen. Mit unseren Formaten bedienen wir alle Schularten, aber auch die Kindertagesstätten. Zusätzlich versuchen wir, innerhalb dieser Formate auch das Thema der Digitalität aufzugreifen und so die moderneren Entwicklungen abzubilden.

Schulamtsdirektorin, Buchautorin und Podcasterin Florence Brokowski-Shekete im Austausch mit einer Kirchenstandbesucherinnen. Wie wird "Schule gegen Rassismus - Schule mit Courage" praktisch?

Wie wählen sie die Akteure für das Motto am Stand der Kirchen aus und welche Resonanz haben Sie von den Besucherinnen und Besuchern erfahren?

Im nächsten Organisationsschritt verständigen wir uns dann auf ein gemeinsames Programm, indem wir die passenden Akteure ansprechen. Das ist nicht immer ganz einfach, weil die entsprechenden Gesprächs- und Interviewpartner ja auch die Zeit haben müssen, um an den Kirchenstand zu kommen. Und hinzu kommt auch noch, dass nicht jeder mit der didacta-Situation zurechtkommt. In der Messehalle ist es laut und unruhig. Der „Bär tobt“ um einen herum, und man selbst sitzt auf der Couch und muss dann seine Inhalte zum Besten geben. Das ist nicht jedermanns Sache.

Übrigens ist die Situation des Talkformats auf dem roten Sofa auch relativ neu. Früher hatte man den klassischen PowerPoint-Vortrag. Der ist heute weitgehend aus dem Programm verschwunden. Unsere Akteure und ReferentInnen gestalten nun ihre Vorträge interaktiv. Sie kommen ins Gespräch miteinander oder zeigen ihre Projekte interaktiv. In diesem Jahr hatten wir beispielsweise eine Modenschau am Stand der Kirchen, organisiert von Schülerinnen und Schüler des Johann-Sebastian-Bach-Gymnasiums in Mannheim zum Thema nachhaltige und faire Mode. Und im Anschluss haben die Jugendlichen unmittelbar mit den Zuschauerinnen und Zuschauern interagiert und sind mit ihnen ins Gespräch gekommen. Auch der Talk mit Herrn Boschki und Herrn Blume zum Thema Wie hilft religiöse Bildung gegen Antisemitismus? wurde nicht nur als Gespräch zwischen den Akteuren und dem Moderator Daniel Schneider umgesetzt. Herr Blume und Herr Boschki haben sich auch den Fragen und Anliegen des Publikums angenommen. Das kam bei den Besucherinnen und Besuchern am Kirchenstand sehr gut an. Diese Veranstaltungen mit Interaktion und unter Einbeziehung der Besucherinnen und Besucher waren alle sehr gut besucht.

 

Nachgefragt bei Mirko Drotschmann, Journalist, Moderator und Webvideoproduzent des Formats MrWissen2go, im Interview mit Daniel Schneider und Kirchenstandsleiterin Sabine Mirbach (li.). Wie wichtig sind Demokratie und Bildung in digitalen Räumen?

Sie blicken nun auf über zehn Jahre Messeerfahrung zurück und haben viele Veränderungen miterlebt. Wie haben sich die Themen und Beiträge am Stand der Kirchen in den letzten Jahren verändert?

In den 2010er- und 2012er-Jahren lag hier in Baden-Württemberg der Schwerpunkt vor allem auf dem Thema Inklusion. Dann kam der neue kompetenzorientierte Bildungsplan für BaWü – eine große Veränderung mit weitreichenden Folgen für die Bildungslandschaft. Gegen Ende des Jahrzehnts verlagerte sich der Fokus dann in Richtung Digitalität. Und spätestens mit Corona, als die Messe ausfiel und digital organisiert werden musste, begann man, Filme zu produzieren und YouTube-Videos zu veröffentlichen. Das war eine vollkommen neue Situation. Neben dem Thema der Digitalität als Folge von Corona rückt nun auch die Künstliche Intelligenz in den Vordergrund. Wir gehen davon aus, dass dies auch in Zukunft das beherrschende Thema sein wird. Diese Prozesse beschleunigen sich immer mehr.

Oliver Richter vom Religionspädagogischen Institut der Ev. Landeskirche in Baden und Jonas Müller vom Institut für Religionspädagogik der Erzdiözese Freiburg referierten zum Thema Chancen und Grenzen von künstlicher Intelligenz im religionspädagogischen Kontext.

Welche Bedeutung hat der Kirchenstand auf der didacta?

Zunächst einmal profitieren wir von einem großen Entgegenkommen des didacta-Verbandes, wofür wir sehr dankbar sind. Wir fallen hier unter die sogenannte „Sonderschau“, was große Privilegien mit sich bringt: Wir sind mitten im Geschehen. Wir zahlen zwar keine Miete, vertreiben oder verkaufen jedoch auch nichts. Wir verstehen uns als Servicestand für die Menschen hier. Und wir haben mit dem didacta-Verband vereinbart, dass wir die Großthemen, die der Verband setzt – in diesem Jahr Demokratiebildung und Menschenrechte – auch bei uns aufgreifen. So kommen wir dem didacta-Verband entgegen, indem wir seine Themen aufnehmen und integrieren. Schließlich ist die Kirche ein großer Player auf dem „Bildungsmarkt“, da wir viele Kitas, Schulen und Religionsunterricht betreiben. Im Forum „Bildungsperspektiven“, der zentralen Großveranstaltung des Kirchenstandes, ging es beispielsweise in diesem Jahr explizit um die Frage nach den Menschenrechten und den Umgang damit im digitalen Raum. Auf dem Podium saßen die Landesbischöfin Dr. Heike Springhart, die Kultusministerin von Baden-Württemberg, Theresa Schopper, und der Theologe Prof. Dr. Thomas Schlag von der Universität Zürich. Die Kirche ist bei vielen Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, und dadurch ziehen wir viele Menschen an unseren Stand. Sie kommen zu uns, um zu sehen, was wir anbieten. Es ist also ein Geben und Nehmen, eine Win-Win-Situation.

Schülerinnen und Schüler des Johann-Sabastian-Bach-Gymnasiums Mannheim präsentierten eine Modenschau zum Thema FAIRe Mode vom Projekt eineweltladen.

Was bietet der Stand der Kirchen, das andere Stände nicht haben?

Ich persönlich verstehe den Stand der Kirchen auch immer so, dass er es ermöglicht, andere Aspekte ins Messegeschehen einzubringen, die nicht ökonomisiert oder gewinnorientiert sind. Wir laden die Besucherinnen und Besucher zum Gespräch und Dialog ein. Und hier ist jeden Tag eine Menge los: Viele Menschen, viele Kontakte! Wir verstehen uns auch als Kontaktmesse, als Verbindungsglied und als Schaufenster zur Welt – und natürlich auch als Schaufenster zu den Menschen und zur Gesellschaft. Wir isolieren uns also nicht. Natürlich muss ich auch immer wieder Debatten führen, denn der Stand der Kirchen kostet in Bezug auf Infrastruktur und Arbeitszeit eine Menge. Aber darüber hinaus gibt es auch eine Menge Begegnungen. Und das ist nicht mit Geld aufzuwiegen. Der Erfolg misst sich nicht daran, wie viele Visitenkarten man verteilt hat, wohl aber mit wem man gesprochen hat und welche Kooperationen zustande gekommen sind. Das ist ein großer Mehrwert. Und von diesem guten Gefühl und diesen Begegnungen leben wir dann die nächsten ein bis zwei Jahre bis zur nächsten Bildungsmesse.

 

Im Forum Bildungsperspektiven, der zentralen Veranstaltung für den Stand der Kirchen, diskutierten unter der Morderation von Daniel Schneider die Kultusministerin von Baden-Württemberg Theresa Schopper, Prof. Dr. Heike Springhart, Landesbischöfin in Baden und Theologe Dr. Thomas Schlag. Die Bischöfin verspätete sich, so dass zu Beginn Oberkirchenrat Wolfgang Schmidt stellvertretend ihren Platz einnahm (v.li.n.re: Daniel Schneider, Theresa Schopper, Wolfgang Schmidt, Thomas Schlag). Foto:Maike Müller

Was war ihr persönliches Highlight am Stand der Kirchen in diesem Jahr?

Also mein Highlight waren die Jugendlichen, die das Programm mit ihren Beiträgen bereichert haben. Ich finde es am spannendsten, wenn die Schulen ihre Projekte vorstellen. Wenn man die jungen Leute mit ihrer Begeisterung spürt, geht einem das Herz auf – das hat schon etwas. Außerdem finde ich es sehr bereichernd, wenn Gäste und Interviewpartner da sind, die den gesellschaftlichen Dialog fördern, ohne Hass und Hetze, ohne den üblichen Empörungston. Zum Beispiel war mir die sachliche Art und Weise und der ehrliche Austausch mit Professor Boschki und dem Antisemitismusbeauftragten Herrn Blume sehr angenehm. Auch Frau Brokowski-Shekete vom Schulamt in Mannheim war zu Gast. Sie stammt ursprünglich aus Nigeria und treibt die Integration und Inklusion voran. Das alles sind Menschen, die für den gesellschaftlichen Dialog von großer Bedeutung sind. Dass sie zu uns an den Stand kommen, sagt viel aus. Dass sie uns als Gesprächspartner erleben, und dass in dieser aufgeregten Zeit, in der man sachlich diskutieren kann, ohne sich gegenseitig niederzubrüllen und mit Schimpfwörtern zu bewerfen – das ist für mich das Wichtigste: sachlich über kontroverse Themen zu diskutieren. Wir hatten hier auch etliche Politiker am Stand, die vorbeigeschaut haben, viele auch vom Kultusministerium, die sich beteiligt haben. Das finde ich den größten Mehrwert hier.

(Interview & Fotos: Claudia Klein)

Nach fünf Tagen Beratung und Organisation am Stand der Kirchen ist der Abschied gekommen. Auch im nächsten Jahr auf der didacta 2026 in Köln wird der Stand der Kirchen wieder inmitten der Gesellschaft zu finden sein.

 

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Kirche steht mitten in der Gesellschaft. Anlässlich der didacta 2025 in Stuttgart haben wir Bildungsexpertinnen und -experten zu Wort kommen lassen. In unserer Interviewreihe „Drei Fragen an…“ sprechen sie über die Bedeutung des Religionsunterrichts und der katholischen Schulen und verraten, was das Messepublikum am Stand der Kirchen auf der didacta erwartet.

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